Kommentar

Schule wird endlich digital

Jürgen SchlieszeitZusmarshausen, Juni 2014 - (von Jürgen Schlieszeit) Lang hat es gedauert und viele Hürden und Irrwege wurden genommen, doch wie es aussieht, hält der Unterricht mit digitalen Lernwerkzeugen und Inhalten endlich Einzug in unsere Klassenzimmer. Nach wie vor stehen wir aber noch deutlich hinter einigen Nachbarländern, was die Nutzung und Integration von digitalen Medien und Werkzeugen im Unterricht anbelangt.

Für unsere Schüler ist es längst normal mit digitalen Geräten wie Smartphones, Tablets, Note- oder Netbooks umzugehen. Sie sind Begleiter in ihrem täglichen Leben. Vorwiegend werden diese allerdings für Kommunikationszwecke und das Konsumieren von Videos genutzt. Als Lernmedium werden die digitalen Geräte eher weniger eingesetzt, allerdings häufiger schon für reine Recherchezwecke. Nach wie vor steht die Nutzung von Facebook und Youtube bei unserer Jugend im Vordergrund. In den seltensten Fällen werden Lernvideos oder Online-Lernprogramme von den Jugendlichen als nützliche Helfer für den Wissenszuwachs gesehen bzw. genutzt.

BYOD und TouchScreen

Computerräume, wie wir sie früher kannten, sind bereits auf dem absteigenden Ast. Lediglich für fachspezifische Anwendungen wie CAD oder aufwendige Simulationen werden Computerräume noch genutzt. Interaktive Whiteboards, Projektoren und neuerdings auch TouchScreens in Tafelgröße wurden und werden für die Klassenzimmer angeschafft. Allerdings kann man davon ausgehen, dass TouchScreens den interaktiven Whiteboards in Kürze den Rang ablaufen werden.

Seitdem Tablets so leistungsstark und handlich geworden sind, halten auch sie immer stärker Einzug in die Klassenzimmer. Eine Vielzahl von Tabletklassen gibt es schon in Deutschland und das nicht nur in Form von Pilotprojekten. Das Maria-Ward Gymnasium in Augsburg zum Beispiel hat bereits alle Lehrer und die komplette Oberstufe mit iPads ausgerüstet.

Egal ob Android-, Windows- oder Apple Betriebssystem, die leichten und multimedialen Endgeräte bieten eine echten Vorteil zum Rechner bzw. Notebook. Sofort startbereit bei Knopfdruck lassen sich Tablets wunderbar in jedes Unterrichtsfach mit einbauen und in Form von Einzel-, Partner oder Gruppenarbeit gewinnbringend einsetzen. Arbeitsergebnisse können sofort für alle über den Projektor, das Whiteboard oder den TouchScreen präsentiert werden.

Letztendlich soll das Ziel aber sein, dass jeder Schüler sein eignes Endgerät mit in den Unterricht bringt und mitarbeiten kann. Initiativen dieser 1:1 Lösungen sind an einigen Schulen schon gestartet. Die Hardwarebeschaffung wird somit mehr auf die privaten Haushalte verlagert, hingegen muss sich die Schule aber um eine sichere und technisch auf dem neuesten Stand befindliche Infrastruktur kümmern, damit Unterricht mit den verschiedensten Mobilgeräten auch möglich sein kann.

Alles was dazu nötig ist, ist eine gute und intelligente WLAN-Versorgung und ein Browser. Denn früher oder später werden alle Anwendungen direkt online zur Verfügung stehen und speicherintensive Programme oder Apps müssen nicht mehr installiert werden. In Bezug auf die technische Infrastruktur und die Verwaltung von verschiedensten Endgeräten wäre es von Vorteil, wenn sich die Anbieter dazu durchringen könnten, eine standardisierte Lösung anzubieten, die sich je nach Schulgröße beliebig skalieren ließe.

Vorgehalten werden müssen allerdings dann auch ein gesicherter Speicherplatz für jeden Schüler und Lehrer und eine entsprechende Online- Lernplattform (LMS), über die Schüler und Lehrer untereinander kommunizieren und Daten austauschen können. Verschiedenste Projekte der einzelnen Bundesländer wurden und werden hierfür gestartet, doch der große Zuspruch und die kontinuierliche und intensive Nutzung der Angebote lassen noch zu wünschen übrig.

Lehrer abholen und mitnehmen

Und letztlich müssen wir auch an unsere Lehrer denken, von denen ein Großteil noch immer nicht erkannt hat, welch große Chance in der Nutzung der digitalen Medien besteht und wie wir damit unsere Schüler heute auf die Arbeitswelt von morgen vorbereiten können. Einsatz von digitalen Medien im Unterricht bedeutet nicht den Einsatz eines interaktiven Whiteboards für die Präsentation von Unterrichtsinhalten oder den Besuch des Computerraums für das Durcharbeiten eines Lernprogrammes oder die Recherche für ein Referat, sondern vielmehr die richtige Integration und individuelle Nutzung der digitalen Endgeräte in jedem Fach.

Hier muss nach wie vor für eine nachhaltige Weiterbildung für alle Lehrer gesorgt werden und das Thema digitale Medien im Unterrichtseinsatz mit dem Schwerpunkt Methodik und Didaktik im Vordergrund stehen. Lehrer brauchen Praxisbeispiele, wie sie mit den mobilen Endgeräten einen gewinnbringenden Unterricht halten können. Bislang stand vorwiegend die Technik und der punktuelle Computereinsatz im Vordergrund – dies ändert sich durch den Einsatz von Smartphones und Tablets und fordert neue Formen von Unterricht. Das sollten Universitäten und Lehrerseminare auch langsam erkennen und mit in das Studium und die Ausbildung aufnehmen.

Jürgen Schlieszeit ist Lehrer, Medienpädagoge und Experte für alle interaktiven Whiteboards und Medien. Er gilt als der "Whiteboard-Pionier" in Deutschland und kommt aus der Praxis. Er veröffentlichte bereits einige Bücher rund um das Thema "Computer und neue Medien" und zahlreiche Aufsätze zum interaktiven Whiteboard in entsprechenden Fachzeitschriften. Im Frühjahr 2011 erschien von ihm das erste Standardwerk "Mit Whiteboards unterrichten" beim BELTZ Verlag und im August 2011 das Buch "Interaktive Whiteboards: Das Methodenbuch für Trainer, Dozenten und Führungskräfte".

Er ist zudem Gründer und Betreiber des ersten deutschen unabhängigen Internetportals für interaktive Whiteboards und interaktive Medien www.myBoard.de.