Online-Studie

"Informelle Lernformen stehen hoch im Kurs"

Wien, April 2009 - Im letzten Jahr führte das Hernstein Institut für Management und Leadership in Wien in Zusammenarbeit mit dem Swiss Centre for Innovations in Learning (SCIL) der Universität St. Gallen eine Online-Befragung zum "Lernverhalten von Führungskräften" durch. CHECK.point eLearning fragte Dr. Katharina Fischer-Ledenice, Institutsleiterin des Hernstein Management Instituts, warum Führungskräfte sich so zögerlich dem eLearning zuwenden, obwohl bekannt ist, dass das Vorbild des "Learning Leader" bei Mitarbeitern hohe Lernenergie frei setzt.




Frau Dr. Fischer-Ledenice, wie lernen Führungskräfte? Welche Ergebnisse hat die Studie zutage gefördert?

Dr. Katharina Fischer-Ledenice: Die Umfrage, an der sich 214 Manager aus Österreich, Deutschland und der Schweiz beteiligten, ist Teil des interdisziplinären Praxisforschungsprojektes "Wie lernen Führungskräfte". An dem Projekt war neben der Lernforschung (SCIL) auch noch die Neurobiologie, Wirtschaftspsychologie und Bildungsforschung vertreten.

Als wichtigstes Ergebnis kristallisierte sich heraus, dass Führungskräfte klassische Seminarveranstaltungen schätzen. Informelle Lernformen stehen ebenfalls hoch im Kurs. 88 Prozent der Befragten gaben an, dass sie in Projekten und durch Erfahrungsaustausch, Feedback, Fehler und ähnliches am besten lernen.

Moderne Lernformen - wie etwa Blogs und Wikis - haben noch kaum Einzug in die Chefetagen gehalten. 55 Prozent der Befragten benennen Zeitmangel und hohe Arbeitsbelastung als die größten "Lernbehinderer". Es ist Führungskräften oft zu kompliziert und zeitaufwändig sich durch Blogs zu klicken oder mit ihnen unbekannten Medien zu experimentieren, bei denen zudem der Nutzen fragwürdig ist.

Welche Gründe gibt es für die Ablehnung von eLearning, Podcasts oder Web 2.0-Anwendungn?

Dr. Katharina Fischer-Ledenice: In ihrer Rolle als Führungskraft fällt Managern in erster Linie die Aufgabe der Gestaltung zu. Dazu gehören neben Sachkompetenz vor allem die Gestaltung sozialer Interaktionen im Unternehmen sowie die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit. Reflektion und Feedbackprozesse. Reine Wissensaufnahme ist daher wenig hilfreich, denn es geht um die Umsetzung von Wissen.

Soziale Kompetenz ist über eLearning nicht zu transportieren, denn bei sozialer Interaktion sind alle Sinne im Spiel. Gerade in Mitarbeitergesprächen muss eine Führungskraft sein Gegenüber sehen, hören und die non-verbale Kommunikation einsortieren können, um sich ein Bild zu machen und entsprechend reagieren zu können.

Im Gegensatz zu eLearning bieten Präsenzveranstaltungen den Führungskräften einen persönlichen Reflektionsraum, der es den ihnen ermöglicht, neue Anregungen für ihre Führungstätigkeit und mehr Klarheit für die eigene Situation bzw. diejenige im Unternehmen zu bekommen.

Ist also eLearning für das Management komplett ungeeignet?


Dr. Katharina Fischer-Ledenice: Nein, das würde ich nicht sagen. Vor allem, wenn es um die Vermittlung fachlichen Wissens geht, ist eLearning ein probates Mittel. Dazu zählen die allgemeinen und unternehmensspezifischen Aufgaben der Manager: Projekt- und Budgetplanung, Reporting, Qualitätsmanagement oder z.B. gesetzlichen Vorschriften zum Arbeitsrecht oder ähnliches. Auch wenn eLearning die Bedürfnis des Topmanagements nicht trifft, so besteht im mittleren Management, das Leadership und Fachkompetenz vereinen muss, immer wieder Bedarf fachliches Wissen zu erneuern.

Dabei eignet sich eLearning, vielleicht in Kombination mit Wikis oder FAQs, für alle kognitiven Themen sowie für Compliance-Themen wie beispielsweise das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Die Teilnehme an den Kursen wird überdies durch die Lernplattform dokumentiert, damit ist eine gewisse Rechtssicherheit hergestellt.

Doch eLearning hat auch Grenzen. Geht es um Themen, die sich um die Persönlichkeitsbildung der Führungskraft drehen oder Widerstand bei Mitarbeitern auslösen könnten, sollten eLearning-Sequenzen in ein Blended-Learning-Konzept mit Präsenzveranstaltungen eingebunden sein, bei denen ein unterstützender Dialog gewährleistet ist.

Welchen Einfluss hat ein solches Lernverhalten der Führungskräfte auf das Weiterbildungsverhalten und die Innovationskraft von Unternehmen?

Dr. Katharina Fischer-Ledenice: Die Haltung von Führungskräften dem Lernen gegenüber ist ganz entscheidend dafür, ob und welche Lernkultur sich in einem Unternehmen ausbildet. Erst wenn Führungskräfte realisieren, dass auch sie immer noch etwas zu lernen haben, werden sie ihrer Vorbildwirkung für das Lernen der Mitarbeiter gerecht.

Lernen ist ein Prozess, der nie abgeschlossen ist, das muss auch dem Chef bewusst sein. Die Geschäftsleitung ist ganz klar die zentrale Größe für eine ausgeprägte Lernkultur. Um ihrer lernförderlichen Führungsrolle gerecht zu werden, ist es wichtig, dass Führungskräfte ihre eigene Lernkompetenz ausbauen und ihre Lernstrategien kennen und reflektieren. Dazu gehört, den Lernbedarf einzuschätzen, geeignete Lernstrategien zu wählen, den eigenen Lernfortschritt zu bewerten und mit Lernschwierigkeiten umzugehen.

Ob ein Unternehmen dem Thema Lernkultur genügend Bedeutung zukommen lässt, kann man oft daran festmachen, wer für die Weiterbildungsaufgaben zuständig ist. Oft ist das Thema in der Personalabteilung angesiedelt, besser wäre es natürlich, wenn sich der Vorstand oder Geschäftsführer ebenfalls für zuständig erachten würde. Erst wenn der Punkt "Fortbildung der Mitarbeiter" fester Bestandteil jeder Zielvereinbarung von Führungskräften ist, kann ein anderes Bewusstsein und eine andere Kultur in den Unternehmen entstehen.

Bringt die Finanzkrise veränderte Anforderungen an das Weiterbildungsverhalten des Managements mit sich?


Dr. Katharina Fischer-Ledenice: Natürlich ist in wirtschaftlich schlechten Zeiten das Phänomen zu betrachten, dass Unternehmen Weiterbildungsbudgets einfrieren oder geplante Maßnahmen komplett absagen. Viele sind vorsichtig und üben Zurückhaltung. Das heißt aber nicht, dass nun plötzlich die Entscheidung für kostengünstigeres eLearning fällt. Ich erwarte, dass es Mitte des Jahres eine Zäsur geben und dann entschieden wird, ob die Talsohle erreicht ist und es wieder aufwärts geht oder sich die Abwärtsschleife fortsetzt.

Ganz anders zeigt sich das Bild bei Unternehmen, die sich in gesicherten Märkten bewegen. Hier werden antizyklisch Budgets für Talentmanagement locker gemacht. Gefragt ist der gesamte Prozess, also die Talentsuche im eigenen Unternehmen, die Auswahl, Potenzialeinschätzung sowie die Entwicklung. Diese Unternehmen nutzen die Chance, das Unternehmen für die Zeit nach der Krise gut aufzustellen.