Serious Games

Spielend lernen - mit Autonomie und Flow-Effekt

Karlsruhe/Hamburg, Januar 2012 - Auf der LEARNTEC 2012 wird gespielt. Während die Gaming-Area als interaktive Erlebniszone auf der Fachmesse zum Ausprobieren und Erleben von digitalen Lernspielen einlädt, diskutieren die Kongressbesucher mit Dr. Maren Metz von der Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg, Perspektiven und Zukunft von Serious Games. Was ein "herausforderndes Serious Game" auszeichnet, das mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolgreich gelöst werden kann und so einen Flow-Effekt und damit ein Glücksgefühl auslöst, erklärt Dr. Metz im Interview.




Für welche Zielgruppen eignen sich Serious Games besonders?


Dr. Maren Metz:
Die Zielgruppen von Serious Games reichen von Schülern über Auszubildende und Mitarbeiter bis hin zu Führungskräften. In erster Linie werden aber die sogenannten "Digital Natives", also Personen, die mit den digitalen Technologien groß geworden sind, durch Serious Games angesprochen. Denn bei dieser Zielgruppe ist der Umgang mit digitalen Medien ein bekannter und oft positiv besetzter. Die daraus entwickelte Medienkompetenz ist für diese Art der Lernplattform wichtig.

Welche Vorteile haben Serious Games gegenüber anderen (Selbst-) Lernmethoden?


Dr. Maren Metz: Serious Games reagieren auf den Anspruch zeit-, orts- und situationsunabhängig lernen zu können. Darüber hinaus liegen die Hauptvorteile dieser Methode in der Perspektiven- und Themenvielfalt, in den Möglichkeiten konkrete Erfahrungen zu sammeln und einer besonderen Reflexionsmöglichkeit. Serious Games werden eine hohe Lernautonomie zugesprochen, da sie sehr individuell eingesetzt und auf den Nutzer, mit einem hohen Maß an Selbstkontrolle, abgestimmt werden können.

In einem Serious Game können verschiedene Szenarien durchspielt und der Lerngegenstand aus unterschiedlichen Perspektiven angeschaut werden. Es können auch mehrere Rollen eingenommen und alternative Problemlösungen ausprobiert werden. Der Lernprozess wird in einem Kontext eingebettet, der die Notwendigkeit komplexer Handlungen, Entscheidungs- und Lösungsfindungen fordert und verschiedene Lösungswege ermöglicht. Die Lernszenarien können einzeln, in sozialen Netzwerken oder in Kooperation mit festgelegten Gruppen bearbeitet werden.

In Serious Games wird ein Lernprozess auf drei generellen Ebenen in Gang gesetzt: Zum Einen auf der Ebene der inhaltlichen Problemstellung. Das beinhaltet beispielsweise den Umgang mit Komplexität, Zusammenhängen und Entscheidungsfindungen. Sowie der Steuerung von Problemlösungsprozessen. Dazu gehören Handlungsorganisationsfähigkeit und die Arbeitsorganisation. Zum Anderen auf der Lernebene individueller Denkprozesse, Motivationen und Emotionen und besonders der Selbstregulationsfähigkeit. Und drittens auf der Ebene des Umgangs mit sozialen Faktoren bzw. sozialen Prozessen.


Serious Games ermöglichen insbesondere innerhalb dieser Lernebenen die Analyse und das Training konkrete Kompetenzen, aber auch das Entfalten neuer oder informell vorhandener Kompetenzen.

Weitere Vorteile dieser spielbasierten Lernmethode sind zum einen die hohe Aktivität und zum Anderen die große intrinsische Lernmotivation. Im Gegensatz zu anderen Angeboten im Bereich E-Learning erzeugen Serious Games ein herausforderndes und vereinnahmendes Lernszenario. Unter herausfordernd versteht man ein mittleren Schwierigkeitsgrad von aufeinanderfolgenden Aufgaben, die mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolgreich gelöst werden können, damit ein Flow-Effekt und damit ein Glücksgefühl entsteht. In Kombination mit einer starken Fokussierung der Konzentration, entsteht ein Eintauchen in das Lernszenario. Diese Immersion im Serious Game führt zu einer hohen intrinsischen Motivation, die Lernen begünstigt.

Welche besonderen didaktischen Ansprüche müssen bei der Produktion vonSerious Games erfüllt werden?


Dr. Maren Metz: Serious Games sind handlungsorientierte Lernarrangements mit den Vorteilen computerbasierten Lernens. Zu den wesentlichen didaktischen Ansprüchen von Serious Games gehören lernfördernde Besonderheiten: Sie sollen selbstbestimmtes und aktives Lernen mit einer hohen Lernautonomie ermöglichen.


Es ist daher wichtig sich vorab klar zu werden, was mit dem Serious Game gelernt werden soll und kann. Es muss auch überlegt werden, ob das anvisierte Lernziel den Bedürfnissen des spielbasierten Lernens entspricht (z.B. experimentelles Lernen, problembasiertes Lernen). Auch die spielspezifischen Aspekte sind wichtig, bevor Lernaktivitäten entworfen werden (wie u.a. das Level der Vertiefung, die Qualität der Präsentation, den Grad der Genauigkeit, Spezifika des Spiels). Aber auch besondere Bedürfnisse des einzelnen Lerners und der Lerngruppe müssen berücksichtigt werden.


Serious Games sollen immer Reflexionsphasen für die einzelne sowie gruppenspezifische Lernaktivitäten beinhalten. Der Lerneffekt in Serious Games wird nämlich durch eine didaktische Strukturierung des Selbstbeobachtens und Selbstreflektierens noch intensiviert. Denn nicht nur das Erleben ermöglicht effektives Lernen, sondern auch das Verstehen von dem was erfahren und gelernt wurde. Der Lerneffekt in Serious Games wird daher verstärkt, wenn das Serious Game in ein coachingbasiertes Gesamtkonzept integriert ist. Diese professionell geführte Reflexion vor, während und nach einem Serious Game, ist für den Transfer und die Nachhaltigkeit des Gelernten wichtig.

Ist die Produktion bzw. der Einsatz von Serious Games nicht ein
Besonders "teures Vergnügen", das sich nur vereinzelte Konzerne "leisten"?


Dr. Maren Metz: Neben einzelnen kostenfreien Serious Games, können diese mittlerweile als fertiges Produkt mit bestimmten Lernszenarien, wie beispielsweise das Aneignen von Projektmanagementfähigkeiten, erworben werden. Es gibt auch Serious Games die durch eine Nutzerlizenz zugänglich gemacht werden. Auch können vorhandene Serious Games an die speziellen Bedürfnisse der Institution oder des Unternehmens oder der Mitarbeiter nachträglich angepasst werden. Alle genannten Möglichkeiten sind kostengünstiger als ein komplett neues Serious Game entwickeln zu lassen. Zudem zeigt die beobachtbare Dynamik, dass immer mehr Serious Games auf den Markt kommen und diese damit zu einer breiteren und damit leistbareren Lernmethode machen.

Werden sie mittel- bis langfristig mehr sein als ein Hype oder eine Randerscheinung?


Dr. Maren Metz: Immer neue technische Möglichkeiten, erweiterte Realität und die schnelle dynamische Weiterentwicklung virtueller Lernwelten verändern auch die Strukturen der Weiterbildung. Computer haben schon die Freizeit und den Arbeitsalltag verändert. Umfragen zeigen, dass mittlerweile nahezu jeder Haushalt einen Computer besitzt, Computerspiele in der Gesellschaft fester Bestandteil der Freizeitgestaltung sind und sich auch schon in jungen Jahren in virtuellen Welten bewegt wird.


Auch im Arbeitsalltag haben sich Prozesse dahingehend verändert, wie beispielsweise virtuelle Einstellungstests, Vorstellungsgespräche über Computernetzwerke und internetbasierte Assessmentcenterübungen oder auch virtuelle Konferenzen, sowie virtuelle Beratungsleistungen, virtuelles Coaching oder virtuelle Therapieangebote. Spielkonsolen und vor allem Multi-Touch-Geräte bieten ein breites Spektrum an Lernmöglichkeiten. Daher muss sich auch die Weiterbildung mit dem Thema der modernen, aber auch effektiveren und effizienteren Lernmethoden auseinandersetzen und sich der zunehmenden Technisierung annehmen.


Dieses gelingt Serious Games mit ihrem pädagogischen Mehrwert in vielfältigen Lernkontexten, deswegen ist davon auszugehen, dass Serious Games in den nächsten Jahren kontinuierlich in die Aus- und Weiterbildungskonzepte einfließen und sich dort etablieren werden. Serious Games mit ihrem innovativen Konzept haben das Potential als eine erlebnisnahe Methode in den bekannten Lern- und Weiterbildungsalltag, auch wegen der hohen Transferstärke, einen wichtigen Stellenwert einzunehmen.

Haben Serious Games das Potenzial Lernkulturen zu verändern?


Dr. Maren Metz: Zukünftig wird es eine noch engere Verknüpfung zwischen den Technologien der Unterhaltungsbranche und dem Bildungssektor geben. Das bestätigen auch Expertenbefragungen, die die Zukunftstrends des Lernens betrachten. Serious Games bedienen sich dieser wahrnehmbaren Dynamik der Virtualisierung und führen Wissensgenerierung und Kompetenzentwicklung mit Technologie und Lernen zusammen.

Damit ergänzen sie herkömmliche Lernmethoden und haben das Potenzial Lernkultur zu erweitern, ähnlich wie virtuelle Welten heute schon die Freizeitkultur von Kindern und Jugendlichen verändert haben. Spätestens diese Generationen werden mit einem Selbstverständnis Serious Games als Lernmethode einsetzen. Aber auch heute schon sehen Institutionen und Unternehmen ihren Vorteil in dieser Lernmethode. Serious Games sind und werden damit ein wichtiges Thema in der Aus- und Weiterbildungsbranche und mit ihrem großen Potenzial weit mehr als Unterhaltung mit Spielspaß sein.