Vom Push zum Pull

"Bleibt Alles Anders"

München, Dezember 2012 - (von Volker Kunze) "Bleibt Alles Anders" schrieb Herbert Grönemeyer schon 2002 und daran fühlte ich mich diese Woche erinnert, als jemand seine Vita im Learningbereich erzählte und über die Anfänge Mitte der 80er mit Bildplattenspielern und Lerninhalten, die darüber mittels dem Drill-and-Practice vermittelt wurden. Selbst erlebte ich die Zeit der neuen Medien Mitte der Neunziger und den Einsatz von CD-ROMs die eben auch multimediale Inhalte wie Videos beinhalteten.




Zum Ende des 20. Jahrhunderts konnte man von einem Anbieter lesen, der sich fast an der Produktion von annähernd 1.000 Stunden Videomaterial und dementsprechenden Vorinvest verschluckt hätte, denn das Problem war a) Kunden zu finden und b) die Inhalte zum Lerner zu portieren und c) diesen dazu zu bringen sich die stundenlangen Videos auch anzusehen.



Mittlerweile beginnt das Jahr 2013 und zum Ende des Jahres 2012 konnte man lesen, wie die ONLINE EDUCA titelte "Video ist der neue eLearning Star!" - schon wieder alter Wein in neuen Schläuchen!? Nein. Der niedrigschwellige Eintritt zum lebenslangen Lernen beginnt beispielsweise mit Youtube, gemäß den seit 2007 stattfindenden Umfragen von Jane Hart [1] die Nummer 2 der Top 100 Tools für Learning.

Diese Videoinformationen sind granuliert und komprimiert, befreit von unnötigem Wissen, reduziert auf das Notwendige. Khan Academy und ähnliche bieten kostenlose Videoinhalte, aber auch kommerzielle Portale liefern didaktisch aufbereitete Inhalte um beispielsweise Sprachen, softe oder Geschäftsthemen oder privates wie Babymassage videobasiert zu lernen.


Dank Apple als Vorreiter ist der Lerner auch bereit für solch aufbereitete Inhalte zu zahlen und nicht nur das kostenlose zu konsumieren, das aus Erfahrung dann doch weitestgehend nicht so effektiv war.


Heute sind die Infrastrukturen im Internet bereit HD-Video direkt bereitstellen und abrufen zu können - der Weg vom Push zum Pull ist hier also weitestgehend vollzogen und einhergehend damit erfolgt in den letzten Jahren etwas Elementares:

Die Demokratisierung des Lerners

Von der Diktatur der Bildung, die einem über jahrelange Lehrpläne vorschrieb, was an Lernmitteln wie Büchern zu konsumieren und stupide auswendig zu lernen ist, was sich auch im beruflichen Umfeld über starre Curricula in Lern-Management-Systemen fortsetzte, entwickelt sich nun auch hier der Weg immer mehr vom formellen zum informellen Lernen. Mitarbeiter rekrutieren, qualifizieren und halten sind wesentliche Aufgaben der heutigen Zeit.


Kaum jemand wird mehr von der Ausbildung bis zur Rente in einem Unternehmen bleiben. Somit ergibt sich die Notwendigkeit schneller und zielgerichteter Wissen zu vermitteln und andererseits die Fähigkeiten des Digital Native [2]zu nutzen, relevante Informationen zu erkennen und vor allem zu finden.


Soziales Lernen / Social Learning



Dieses wiederum geht auch mit der Top 1 der Tools für Learning einher - Twitter - und dabei sehe ich nicht nur Twitter alleine sondern auch die im Unternehmenskontext eingesetzten Derivate wie Yammer, Chatter, SocialText, Jive und ähnliche. Hier geht es einerseits darum Erfahrungen einzugeben und intelligent zu verschlagworten und mit weiterführenden Materilaien zu vernetzen, aber auch Wissen mittels Schwarmintelligenz (im richtigen Sinne und nicht "nur Formationsflug") aufzunehmen. Dieses geschieht im Vergleich zu E-Mail oder Foren in immer schnellerer Geschwindigkeit.


Hierbei ist es elementar nicht nur die üblichen 5 bis 10% der Mitarbeiter zu involvieren sondern beispielsweise mittels Gamification [3]und Anreizmethoden langfristig die große Masse zu aktivieren und interessiert zu halten.


Lebenslanges Lernen



Nun stellt sich die Frage: Bleiben wir im Denken der 35h-Woche verhaftet oder ist das, was wir auch in der Freizeit an Informationen aufnehmen auch für die berufliche Entwicklung relevant und vice versa? Hilft mir ein Rhetorikkurs nicht auch im privaten Umfeld so wie auch der private Einsatz eines Pads/Tabs im Unternehmen wenn ich es dort bekomme?
Durch die weitergehende Granulierung von Inhalten ist es immer schneller und effizienter möglich neues zu erfahren, einzusetzen eben auch umzusetzen ohne durch Redundantes oder Füllmaterial aufgehalten zu werden.


Die Grenzen der beruflichen und privaten Weiterbildung weichen weiter auf und die Grenzen werden fließend - so wie auch Arbeitszeitmodelle. Dieses bringt einen zum nächsten Punkt
Wie wird Lernen in 20 Jahren aussehen?


Das Google Projekt Glass [4] bei dem die Realität virtuell angereichert wird (Stichwort: Virtual Reality) wird nur eine Krücke sein, denn warum sollte sich jeder - eben auch die, die sie nicht benötigen - eine Brille aufsetzen? Hinzu wird kommen, dass viele heute exemplarisch gezeigte Anwendungen datenschutzrechtlich sehr bedenklich sind und nach einem Hype dazu führen werden, dass man den Einsatz und die Erweiterung der Realität auf ein notwendiges Maß zurück fährt.


Wird es nicht eher so sein, dass eine Art "Induktionslernen" stattfinden wird, bei dem zukünftig 3D Informationen in die Realität eingefügt werden, man sich von der Durchsicht eine OLEDs zur 3D-Visualisierung [5] löst? Im Unternehmenskontext weiß die Datenbank, dass ich eine Maschine noch nicht bedient habe und zeigt mir in einem Hologramm (oder wie immer es auch heißen wird) oder zunächst einmal nur mittels flexibler OLEDs an, dass hier der Startknopf ist und die Schritte zur Bedienung. Sobald ich diese zusätzlichen Informationen nicht mehr benötige, ist der neue Wissensstand eingespeichert und wird in Zukunft nicht mehr angezeigt.


Auch wird das biologische Lernen oder besser nutzen von technologischen Ergänzungen ein großes Feld sein.


Beispielsweise das Tragen eines Miniaturhörgerätes, welches aufgenommene fremde Sprachinformationen direkt in die eigene Sprache übersetzt und als Audio ausgibt. Unglaublich? Ja, wenn ich nicht glaube, dass ein Speicherchip in Daumennagelgröße heute schon ein Terrabyte fasst, was für 220 Millionen Buchseiten, zwei Jahre Musik oder 330.000 Bilder reicht.


Und in Summe wird es nicht um die befürchtete "Digitale Demenz" gehen sondern darum die mir angebotenen Informationen und Informationshappen zu vernetzen und intelligent zu verweben, im Alltag zu integrieren und mehr Sinne parallel zu nutzen - wie es ein Digital Native heute schon ansatzweise macht.


Irgendwann kommt dann wieder ein neuer Nutzen für Video, denn es "Bleibt Alles Anders".