Dossier

Lernpotenzial von Sozialen Netzwerken für den Unterricht

Wiesbaden, Oktober 2013 - (von Susanne Patzelt) Facebook, Twitter und andere soziale Netzwerke sind längst mehr als nur eine Spielwiese von Jugendlichen, sie haben sich inzwischen als wichtige Recherche- und Marketinginstrumente in der Arbeitswelt etabliert. Auch für den Unterricht gibt es vielfältige Möglichkeiten, das kommunikative, politische, berufliche und kreative Potenzial des Social Web zu nutzen. Dabei können sowohl die Risiken als auch die Chancen der Sozialen Netzwerke zum Gegenstand des Unterrichts werden.

Wiesbaden, Oktober 2013 - (von Susanne Patzelt) Facebook, Twitter und andere soziale Netzwerke sind längst mehr als nur eine Spielwiese von Jugendlichen, sie haben sich inzwischen als wichtige Recherche- und Marketinginstrumente in der Arbeitswelt etabliert. Auch für den Unterricht gibt es vielfältige Möglichkeiten, das kommunikative, politische, berufliche und kreative Potenzial des Social Web zu nutzen. Dabei können sowohl die Risiken als auch die Chancen der Sozialen Netzwerke zum Gegenstand des Unterrichts werden.

Soziale Netzwerke als Kommunikationsform

Weltweit sind über eine Milliarde Menschen Mitglied in einer Netzgemeinschaft, so genannten Communities. Die sozialen Medien dienen ihnen als Plattform der Selbstdarstellung und der Kommunikation und ersetzen in jüngster Zeit zunehmend konventionelle Internetanwendungen oder Büroverwaltungs-Software. Pioniere von Facebook, YouTube, Twitter und ähnliche Diensten waren von Beginn an die "digital natives", die Generation, die von Kindesbeinen an mit digitalen Medien und dem Internet vertraut ist. Medien, Unternehmen und die Politik folgten den jungen Trendsettern in die Communities und haben inzwischen Arbeits- und Marketingtechniken entwickelt, die spezifisch auf die Bedürfnisse und Kommunikationsformen der Netzgemeinschaften zugeschnitten sind. Auf politischer Ebene spielen Social Media in Bürgerbewegungen eine immer wichtigere Rolle. Das Schneeballprinzip der Netzwerke ermöglicht es, Informationen rasant zu verbreiten und gemeinschaftliches Handeln zu organisieren.

Die Risiken: Bildungseinrichtungen setzen auf Aufklärung

Monopolisierung im World Wide Web
In den letzten Jahren konnte man beobachten, wie Inhalte des Internets zunehmend in die sozialen Netzwerke verlagert werden: Webpräsenzen, Werbung, Spiele oder eMail-Funktionen. Dies hat auch negative Folgen. Statt eines weltweiten nicht-kommerziellen Netzes, als das das World Wide Web ursprünglich von Tim Berners Lee konzipiert wurde, haben wir es bei Facebook und anderen Anbietern von Social Media meist mit gewinnorientierten Unternehmen zu tun. Das dezentral angelegte World Wide Web erfährt gerade eine Phase der Monopolisierung, da immer mehr Fäden bei den sozialen Netwerken zusammenlaufen. Viele Medienkritiker sehen die Freiheit des Netzes und die Autonomie der User durch die intransparenten Geschäftsmodelle der Betreiber der Sozialen Netzwerke bedroht und insbesondere Jugendliche relativ schutzlos den Unternehmensinteressen ausgesetzt.

Gefahren Sozialer Netzwerke als Fokus in Unterricht
Der Großteil der Bildungsmedien konzentriert sich in Publikationen auf die Gefahren der Sozialen Netzwerke als Thema für den Unterricht. Datenschutzbestimmungen und ein bewusster Umgang mit persönlichen Daten, Missbrauch von Informationen aus Userprofilen, versteckte Werbebotschaften oder Mobbing sind Themen typischer Lerninhalte, die Schülerinnen und Schüler befähigen sollen, kompetent den Fallstricken der virtuellen Gemeinschaften die Stirn zu bieten. Solche Orientierungshilfen sollen sie in die Lage versetzen, die Risiken der Sozialen Netzwerke möglichst gering halten zu können.

Die Chancen: Kollektives Wissen und Handeln durch Vernetzung

Positive Aspekte des Social Web
Wer jedoch nur die möglichen Gefahren als Thema für den Unterricht im Blick hat, verkennt das große Potenzial, das Soziale Netzwerke für die Gestaltung eines abwechslungsreichen Unterrichts bieten. Richtet man seine Aufmerksamkeit auf die positiven Aspekte des Social Web, lassen sich gerade hier besonders spannende Unterrichtsprojekte realisieren: zum Beispiel Mitstreiter für Umweltaktionen in der Gemeinde finden, Experten oder Betroffene über Facebook-Gruppen als Interviewpartner rekrutieren, Kurzprosa im 140-Zeichen-Twitterformat schreiben, Marketing für die eigene Schülerfirma betreiben, Echtzeit-Debatten mit einem Kommunalpolitiker führen oder als Trendscout gesellschaftliche Strömungen aufspüren. Insbesondere auf dem Gebiet der empirisch-quantitativen Informationsgewinnung und im Bereich der argumentativen Kommunikation leisten Soziale Netzwerke gute Dienste.

Politische Kommunikation über Soziale Netzwerke
Auch wenn man den Begriff der "Facebook-Revolution", auf die arabischen Aufstände der vergangenen Jahre angewendet, kritisch betrachten muss: Mithilfe von Sozialen Netzwerken ist es so leicht wie niemals zuvor, als globaler Netzbürger Menschenrechtsaktivisten zu unterstützen und sich in Bürgerbewegungen zu organisieren. Durch den Netzwerkeffekt ist es möglich geworden, in kürzester Zeit eine enorme Anzahl von Lesern und Unterstützern zu erreichen. Kein anderes Medium hat eine vergleichbare Reichweite. Auch hierzulande spielt das Social Web eine zunehmend wichtige Rolle in der politischen Bildung. Soziale Netzwerke müssen dabei nicht einmal die Hauptdarsteller im Unterricht sein, sie können auch genutzt werden, um Hausaufgabenprojekte in Gruppenarbeit zu organisieren, sie bieten eine Präsentationsfläche für Arbeitsergebnisse oder ermöglichen es, schnelle Meinungsumfragen durchzuführen.

Social Media für Berufseinsteiger: Netzwerkprofis sind gefragt

Social-Media-Kompetenz wird immer wichtiger
"Facebook-Kompetenz" kann durchaus ein entscheidendes Kriterium bei der Einstellung sein. Inzwischen sind die Freundschaftsnetzwerke und Kurznachrichtendienste bei Journalisten, Unternehmern und Politikern angekommen. Für die Medienberichterstattung ist es mittlerweile selbstverständlich, die sozialen Netzwerke in die Arbeit zu integrieren. Hier finden Berichterstatter ausgesprochen auskunftsfreudige Informanten, exklusive Informationen von Augenzeugen und Interviewpartner. Die Debatten im Social Web sind außerdem ein Indikator dafür, welche Themen die Menschen beschäftigen, an ihnen lassen sich Stimmungen und Standpunkte einer heterogenen Gesellschaft so gut ablesen wie nirgendwo sonst.

Grundlegender Wandel der Kommunikationskultur
Den Wert der Netzwerke erkennen zunehmend auch Politiker, Unternehmen, Promis und Marketingstrategen, aber auch gemeinnützige Organisationen, die ihre Präsenz in den sozialen Netzwerken rasant ausbauen. Hier finden sie ganz leicht Kontakt zu ihrer Zielgruppe. Dabei ist es durchaus beabsichtigt, die Menschen direkt anzusprechen - vorbei an den kritischen Fragen der professionellen journalistischen Medien. Umgekehrt können aber auch die Nutzerinnen und Nutzer mit Unternehmen und Multiplikatoren ohne Vermittler direkt in Kontakt treten. Die Kommunikationskultur hat sich durch das Web 2.0 bereits grundlegend gewandelt. Zum Beispiel hat Renault im Frühjahr 2011 als erstes Unternehmen der traditionell eher konservativen Automobilbranche seine klassische Webpräsenz geschlossen und setzt inzwischen allein auf seinen Facebook-Auftritt. Das hat ein Signal gesetzt und zeigt: Im Mittelpunkt stehen Kommunikation und Interaktion, die Zeit der ausschließlichen Selbstpräsentation ist vorbei. Ohne Userfeedback, Bewertungsskalen und Kommentare kritischer Verbraucher geht kaum noch was.

Der Weg in die Berufswelt führt über Soziale Netzwerke
Kreative Netzwerk-Virtuosen sind momentan sehr gefragte Arbeitskräfte. Aber wo sind sie, die Facebook-Profis und Vernetzungs-Strategen? Gut jeder dritte Journalist empfindet Social Media als "Nervkram" oder "notwendiges Übel", berichtet der Social Media Trendmonitor 2012. Viele Unternehmen setzen daher auf die jungen Berufseinsteiger, jene Generation, die selbstverständlich weiß, wie man YouTube-Videos hochlädt und Freundschaften in Facebook pflegt. Dafür müssen die Bewerber aber deutlich mehr Kompetenzen vorweisen, als sie durch eine rein private Nutzung in der Regel erworben haben. Hier sind auch Unterrichtsmodelle gefragt, die Schülerinnen und Schüler befähigen, Profile in sozialen Netzwerken kriteriengeleitet zu analysieren und eine überzeugende Präsenz aufzubauen. Schon bei der Suche nach einem Schülerpraktikum kann ein überzeugender Auftritt bei Facebook oder im Berufsnetzwerk Xing ein Türöffner sein.

Zusammenfassung: Themen für Soziale Netzwerke im Unterricht

Hier finden Sie eine Zusammenstellung möglicher Unterrichtsthemen und Aufgabenstellungen rund um die Sozialen Netzwerke.

  • Partizipation und Engagement im Netz: demokratische Teilhabe durch Bildung von virtuellen Interessensgemeinschaften
  • Kommunikations- und Streitkultur, dialogisches Schreiben, Moderationstechniken (auch im Fremdsprachenunterricht)
  • Gesprächspartner und Unterstützer finden und ansprechen
  • glaubwürdige Selbstdarstellung und Präsentation eigener Stärken als Teilaspekt einer Bewerbung
  • Marketingaspekte und Unternehmenskommunikation in sozialen Netzwerken als Berufsvorbereitung und Erwerb von Social Skills im Arbeitsleben
  • Gesprächsanlässe und kreatives Verfassen von Kurztexten (Twitter)
  • Datenschutz, Umgang mit persönlichen Daten im Netz
  • Mobbing und fairer Umgang im Netz
  • Exzessive Internetnutzung und Online-Sucht
  • Präsentation von Arbeitsergebnissen, Kreative multimediale Informationsaufbereitung
     

Soziale Netzwerke: Daten und Fakten

Facebook als klarer Marktführer
Facebook als Marktführer für Soziale Netzwerke verzeichnet nach eigenen Angaben über eine Milliarde Nutzer pro Monat. 81 Prozent aller Jugendlichen in Deutschland sind nach Angaben der JIM-Studie 2012 bei Facebook aktiv - alle anderen Dienste sind weit abgeschlagen. Die Funktionen, die am häufigsten genutzt werden, sind das Verschicken von Nachrichten und das Chatten mit anderen Mitgliedern. Mit 45 Prozent entfällt fast die Hälfte der Zeit, die die Jugendlichen im Internet verbringen, auf kommunikative Tätigkeiten wie Mailen, Chatten oder die Nutzung Sozialer Netzwerke. Dabei suchen 78 Prozent der Jugendlichen Plattformen wie Facebook regelmäßig auf (täglich/mehrmals pro Woche), bei der Gruppe der 16 bis 17-Jährigen sind es 89 Prozent. Durchschnittlich hat jeder jugendliche Facebook-User 272 Freunde in der Community. Immer mehr Jugendliche machen von der Option Gebrauch, Facebook über eine Smartphone-App zu nutzen, diese allgegenwärtige Kommunikationsmöglichkeit über das Netzwerk nutzen inzwischen 41 Prozent der User.

Risiken und Gefahren sozialer Netzwerke
23 Prozent der in der JIM-Studie Befragten gaben an, dass es in ihrem Bekanntenkreis eine Person gibt, die im Internet schon einmal negative Erfahrungen gemacht hat. Mit fünf Prozent sehen sich deutlich weniger Befragte selbst als Opfer, die Studie geht aber davon aus, dass bei dieser Angabe nicht alle persönlichen Verletzungen preisgegeben werden. Nur ein Zehntel der Jugendlichen gibt an, sich bei Facebook "sehr sicher" zu fühlen, das Vertrauen in die Plattform sank im Vergleich zu den Vorjahren, gleichzeitig lässt sich eine Sättigung des Facebook-Booms erkennen. 87 Prozent der Jugendlichen nutzen die Privacy-Option, um festzulegen, wer Informationen aus der eigenen Präsenz einsehen darf. Hier haben die intensive öffentliche Diskussion und möglicherweise auch die Aufklärung durch die Bildungsinstitute durchaus zu einer Verhaltensänderung beigetragen, berichtet die JIM-Studie.

Unterrichtsmaterial zum Thema

Konkrete Unterrichtseinheiten mit Arbeitsmaterial zum Download bietet das Dossier "Soziale Netzwerke" bei Lehrer-Online. Lehrkräfte finden dort praxisorientiertes Unterrichtsmaterial und nützliche Hintergrundinformationen zum verantwortungsvollen Umgang mit Social Communities.