Weiterbildungsexperten

Die Mischung aus eLearning und Präsenztraining überzeugt

Sven SteudterDr. Nils FaltinSaarbrücken, Juni 2015 - Der kürzlich vom New Media Consortium sowie der EDUCAUSE Learning Initiative herausgegebene Horizon Report nennt Blended Learning als eines der Konzepte, die die Weiterbildungslandschaft in den kommenden zwei Jahren am stärksten beeinflussen werden. Dr. Nils Faltin, Head of Innovation Labs bei der IMC AG in Saarbrücken und Sven Steudter, dort verantwortlich für den Bereich Social Learning Technologies, erklären, was sich hinter dem Begriff verbirgt und berichten, wie sich Blended Learning Ansätze in der Praxis verwirklichen lassen.

Herr Faltin, Herr Steudter, was ist Blended Learning?

Sven Steudter: Blended Learning ist die Kombination aus klassischen Präsenzveranstaltungen kombiniert mit digitalen Elementen zum Selbststudium, die in der Regel über eLearning Plattformen zur Verfügung gestellt werden.

Durch die Symbiose beider Lernformen lassen sich die jeweiligen Vorteile nutzen und miteinander verbinden. Auf diese Weise entstehen Synergien und ein Endresultat, das größer ist als die Summe seiner Teile. Eine weitere Stärke traditioneller Präsenzveranstaltungen liegt in dem direkten Kennenlernen anderer Kursteilnehmer und der Möglichkeit, Lerngruppen zu bilden.

Nils Faltin: Diese direkten sozialen Kontakte sind in der Regel stärker als solche, die zum Beispiel durch ein Gruppenforum in einem eLearning System entstehen. Beim Blended Learning ergeben sich durch den Einsatz von eLearning Komponenten aber auch Vorteile wie zeit- und ortsunabhängiges Lernen. Damit wird beispielsweise das Lernen mit dem Laptop oder Tablet auf einer längeren Zugfahrt ebenso möglich wie der Austausch mit anderen Lernern in Gruppenforen nach Feierabend vom eigenen Sofa aus.

Wann ist der Einsatz von Blended Learning sinnvoller als der von reinem eLearning?

Nils Faltin: Reines eLearning stellt hohe, oftmals sogar zu hohe Anforderungen an die Motivation und Selbstdisziplin der Teilnehmer, sodass viele Lerner den Kurs abbrechen oder nie zu Ende führen. Die Präsenzphasen dienen im Blended Learning dazu, dem Lernprozess eine feste Struktur und einen gewissen Rhythmus zu geben. Dadurch fällt es vielen Teilnehmern leichter, am Ball zu bleiben.

Sven Steudter: Auch das Feedback vom Kursleiter und den anderen Teilnehmern wirkt sich positiv auf die Motivation aus. Für viele Lerner ist die direkte Interaktion mit anderen ein großer Ansporn und somit ein wesentlicher Bestandteil des Lernens. Je größer der Stellenwert sozialer Kontakte und direkter Interaktion bei den zu vermittelnden Themen ist, desto höher sollte der Anteil der Präsenzphasen sein. So lassen sich beispielsweise kommunikative und rhetorische Fähigkeiten besser und effektiver in Rollenspielen trainieren. Reines Faktenwissen lässt sich hingegen auch oft über eLearning vermitteln.

Nils Faltin: Blended Learning bietet sich gerade dann an, wenn die Teilnehmer über unterschiedliches Vorwissen verfügen, da die Lerner so die Möglichkeit haben, Lernmaterialien unabhängig von der Präsenzveranstaltung eigenständig zu bearbeiten und so Wissenslücken gegenüber den anderen zu schließen oder nur für sie relevantes Spezialwissen zu erwerben.

Sven Steudter: Die Präsenzphasen sind wiederum dazu da, Missdeutungen durch den Lerner abzufangen und zu korrigieren. Durch die Aufarbeitung des Lernstoffs in der Präsenzveranstaltung können gedankliche Fehler in einer Gruppendiskussion entdeckt und korrigiert werden.

Wie könnte ein realistisches Einsatzszenario von Blended Learning aussehen?

Sven Steudter: Ein mögliches Praxisbeispiel wäre die Auffrischung des Wissens von LKW-Fahrern rund um das Thema Gefahrengüter. Faktenwissen zu Höchstgewichten und der Bezeichnung und Kennzeichnung solcher Güter können die Teilnehmer individuell über eLearning Komponenten erarbeiten.

Durch die Teilnahme an Präsenzveranstaltungen lassen sich die praktischen Aspekte abdecken und eben jenes Handlungswissen weitergeben, welches sich im Rahmen von eLearning Angeboten schwer vermitteln lässt. So kann beispielsweise der Kursleiter erklären und vormachen, wie Gefahrengut im LKW zu sichern ist, sodass die Teilnehmer den Praxisfall gleich im Anschluss selbst durchspielen und üben können.

Ist Blended Learning auch ein Thema für die IMC - und wenn ja, inwiefern?

Nils Faltin: Absolut. Wir als LMS-Anbieter sind der Meinung, dass ein solches Lernmanagement-System in der Lage sein muss, den gesamten Lernprozess bestehend aus Präsenzteil einerseits und eLearning anderserseits optimal auszusteuern und jederzeit zu unterstützen. Dies reicht von der Raumverwaltung, über die Lehrpersonen und Telekonferenzen als virtuelle Kursräume bis hin zu interaktiven digitalen Lehrmaterialien, Tests und der Online-Kommunikation der Teilnehmer.

Bei unserem Learning Management System, der IMC Learning Suite, haben wir besonders viel Wert darauf gelegt, all diese Bereiche in einer durchgängigen digitalen, hochfunktionalen Lösung miteinander zu vereinen.

Gibt es derzeit Projekte bei der IMC, bei denen Blended Learning eine Rolle spielt?

Nils Faltin: Da kann ich vor allem für unsere Forschungsabteilung sprechen. Wir erproben in vielen Projekten unterschiedliche Kombinationen von eigenständigem Lernen und betreuten Lernphasen. Ein Beispiel ist der kostenlose Zeitmanagement-Kurs, den wir auf unserer MOOC-Plattform OpenCourseWorld anbieten. Neben Lehrvideos und Skripten finden die Nutzer dort eine Software, mit der sich das eigene Arbeits- und Zeitverhalten messen lässt. Auf Wunsch können die Lerner einen persönlichen Coach buchen, der sie über Audio- und Videoverbindung wöchentlich berät und begleitet.

Als weitere Variante erproben wir diesen Kurs in unserer Unternehmensgruppe in Kombination mit wöchentlichen Präsenz-Gruppensitzungen, die den Teilnehmern die Möglichkeit zum gegenseitigen Austausch bieten. Die Ergebnisse sind vielversprechend: Kaum ein Nutzer bricht den Kurs ab und insgesamt verzeichnen wir hohe Lern- und Transfererfolge, sobald das erlernte Wissen in den beruflichen Alltag integriert wird.

Ein weiteres Beispiel ist das europäische Projekt Go-Lab, an dem wir mitarbeiten. Dort stellen wir Online-Labore für den naturwissenschaftlichen Unterricht an Schulen bereit. Die Lehrer erklären im Klassenraum die theoretischen Hintergründe und den Ablauf des Experiments. Die Schüler arbeiten dann am Computer eigenständig mit ferngesteuerten und simulierten Laboren, messen Daten, werten sie aus und erstellen eine Abschlusspräsentation.

Dass das Thema Blended Learning inzwischen auch durchaus bei der Erwachsenenbildung eine große Rolle spielt, erkennen wir bei IMC daran, dass einige unserer Kunden Lernszenarien wie das oben beschriebene abbilden wollen und unsere Unterstützung bei der Umsetzung in Anspruch nehmen. Hier haben wir als Full-Service-Anbieter natürlich den Vorteil, dass wir nicht nur die technologische Basis zur Verfügung stellen, um solche Prozesse abzubilden, sondern unsere Kunden auch auf strategischer Ebene dabei beraten können zu entscheiden, welche Elemente sich für eLearning Content eignen und diesen bei Bedarf auch produzieren.