Pink University

Education Hacking für die betriebliche Weiterbildung?

Wolfgang HanfsteinMünchen, Oktober 2015 - (von Wolfgang Hanfstein, Pink University) Weg mit den ganzen Formalismen, her mit der Essenz. Nur noch lernen, was interessiert - nicht stundenlang in Hörsälen wegdösen (Stichwort "Sitzschein"!). Education Hacking verspricht das Reine. Das reine Wissen, das reine Leben. Von den Autodidakten unterscheidet sie das Ziel. Während Autodidakten versuchen, sich ein Wissensfeld alleine, aber doch systematisch anzueignen, schwingt beim Eduhacker die Lust am "Hacken" mit. Also eine Abkürzung zu suchen und den vermeintlich direkten Weg zum Ziel. Hacken ist "in". Als Life-Hack genauso wie als Edu-Hack.

Passt das in die Landschaft der betrieblichen Weiterbildung?

Auf den ersten Blick passt das nicht zur betrieblichen Weiterbildung. Denn wie der Lern-Experte Werner Sauter nicht müde wird, zu betonen: Wissen ist keine Kompetenz. Der Unterschied zwischen einem, der sich viel Wissen angeeignet hat und einem, der einen Abschluss erworben hat, ist der Abschluss. Und hinter dem Abschluss steckt die Kompetenz, eine Sache durchzuziehen, auch Durststrecken auf sich zu nehmen und sich auch von widrigen Rahmenbedingungen nicht aus dem Konzept bringen zu lassen.

Eine durch einen Abschluss dokumentierte Fähigkeit, die mithin als Prädiktor gewertet wird, auch in Unternehmensumgebungen schwierige Projekte zu Ende bringen zu können. Wer ein abgebrochenes Studium oder eine Eduhack-Laufbahn in der Vita hat, wird sich erklären müssen – es sei denn, er bewirbt sich, in welchem Bereich auch immer, als Hacker.

Sind Eduhacker die Vorboten einer neuen Zeit?

Dennoch erhalten Eduhacker viel Aufmerksamkeit. Sie erscheinen als Vorboten einer Zeit, in der das Lernen "befreit"  sein wird von Institutionen und vor allem frei zugänglich für alle - jenseits aller räumlichen und finanziellen Barrieren. Als Wissens- und Kompetenzausweise sollen Badgets gelten, die Peers, Kunden, Mitarbeiter oder Vorgesetzte auf Social Networks wie Linkedin vergeben.

Die Barrieren freilich werden nicht so leicht fallen. Angefangen bei der "Literacy" bis zum "Room to work" und einem Budget im Rücken, das Zeit für das Hacking lässt. Und bei den Badges stellt sich die Frage, ob sie für inhaltliche Kompetenzen vergeben werden, oder für die Kompetenz, sich gut in den sozialen Netzwerken organisieren zu können.    

Die Ahnen der Eduhacker waren der Studienabbrecher 80er Jahre

Es gab einmal eine Branche, in der ein abgebrochenes Studium der Türöffner zu einem Job war – die Medienbranche. Damals hieß es noch nicht Eduhacking, die Biografien ähnelten sich aber. Hier Pädagogik studiert, dort Philosophie, dann ein kurzer Abstecher in die Volkswirtschaft und dann rüber in die Ethnologie. Auch hier zeigte sich eine Kompetenz: und zwar die, nicht allzusehr in den Krümeln zu sägen, sich schnell Neuem zu öffnen und vor allem schnell "Tschüss" zu sagen, wenn es langweilig wird.

Wer in der Lage war, das Studium abzubrechen, wird, so war wohl die Hoffnung, auch nicht allzu zimperlich sein, heute über dies und morgen über das zu schreiben. Aber auch hier haben sich die Zeiten geändert – bei der Pink University gab‘s in den letzten Jahren keine einzige Bewerbung eines Studienabbrechers ...

Was die HR von den Eduhackern lernen kann

Heute geht ohne guten Abschluss nicht mehr viel. Die Konkurrenz ist zu groß. Gleichzeitig wurde das Studium verschult, einen Bachelor gibt es schon nach zwei Jahren. Gegen die braven neuen Studenten wirken die Eduhacker wie die wilden Anarchos aus den 80ern. Aber möglicherweise bilden sie ja die Speerspitze einer neuen Generation – oder zumindest eines Teils davon. Deshalb sollte auch die HR beachten, was sich da tut. Eduhacker zeigen, dass der Wissenserwerb nicht an formale Settings gebunden ist. Und sie zeigen, welche Kraft eine hinreichend große Lernmotivation entfalten kann.

Zudem bringen die Eduhacker ein wichtiges Thema auf die Agenda: das selbstorganisierte Lernen. Auch wenn das Formale Lernen nicht so schnell vom Erdboden verschwinden wird – ein bisschen Konkurrenz tut den etablierten Formaten auf jeden Fall gut. Ob daraus gleich "arbeiten 4.0" erwächst, wird sich zeigen. Als Spezialisten für Abkürzungen können Eduhacker aber definitiv zu Rate gezogen werden.