Fachkräftemangel

Ingenieure aus dem Unternehmen rekrutieren

München, Oktober 2007 - Der Fachkräftemangel könnte die deutsche Wirtschaft bremsen. Auch dem Siemens-Konzern fällt es schwer seinen Bedarf an Fachkräften im technischen Bereich zu decken. Dr. Elmar Ziegler, Siemens Professional Education, Leiter der Siemens Technik Akademie München und Studienleiter Bachelor of Engineering, stellt im Interview und auf der Fachtagung ein Projekt zur Rekrutierung von Ingenieuren aus den eigenen Reihen vor.




Fachkräfte- und Ingenieurmangel - welche Brisanz hat das Thema für Siemens?

Dr. Elmar Ziegler: Das Thema hat im Siemens Konzern eine hohe Brisanz. Es fehlen Ingenieure, vor allem im Bereich Elektrotechnik und verwandten Fachgebieten. Zudem entscheiden sich gute Industrietechnologen häufig für ein Vollzeitstudium, studierwillige Facharbeiter beschreiten den 2. Bildungsweg. Während dieser Zeit stehen sie dem Siemens-Konzern nur als Werkstudenten zur Verfügung oder sie verlassen das Unternehmen ganz.

Siemens-Mitarbeiter haben die Chance berufsbegleitend den Fortbildungsstudiengang Bachelor of Engineering zu besuchen. Welche Ziele verfolgen Sie mit dem Projekt?

Dr. Elmar Ziegler: Etwa zehn bis zwanzig Prozent der Fachkräfte im Unternehmen entscheiden sich nach wie vor gegen ein Studium. Sie wählen die Techniker- oder Meisterausbildung, welche sie nebenberuflich absolvieren können. Es fällt uns daher in vielen technischen Bereichen schwer, den Bedarf an Ingenieuren zu decken.

An dieser Stelle setzt Siemens Professional Education, der Dienstleister für Ausbildung und berufsbegleitende Studiengänge im Siemens-Konzern, an. Mit dem Studium des Bachelor of Engineering, den wir in Kooperation mit der Steinbeis Hochschule durchführen, bieten wir vor allem jungen Fachkräften attraktive Entwicklungsmöglichkeiten begleitend zum Beruf.


Unser Ziel ist, Facharbeiter künftig bevorzugt zu einem berufsbegleitenden Ingenieur-Studium zu bewegen, anstelle eines Studiums an Präsenzhochschulen oder der Meister- bzw. Technikerausbildung. Wir sehen darin zum einen eine große Chance, dem Fachkräftemangel effizient zu begegnen, zum anderen ein wichtiges Instrument, kompetente Mitarbeiter zu motivieren und ans Unternehmen zu binden.

Wie ist der Studiengang aufgebaut und wer kann sich bewerben?

Dr. Elmar Ziegler: Der Studiengang zum Bachelor of Engineering dauert wie jedes Bachelorstudium 36 Monate, in welchem insgesamt 180 Credit Points zu erarbeiten sind. Er umfasst Studieninhalte wie wissenschaftliche Grundlagen der Naturwissenschaften, Elektrotechnik, Automation und Regelungstechnik, Produktionstechnik, Mechatronik, Mikroprozessoren und Mikrotechnologie, vermittelt aber zudem Grundkenntnisse in Betriebswirtschaft und Management.


Die Teilnehmer studieren in Präsenzveranstaltungen sowie Online- und Selbstlernphasen. Parallel zum theoretischen Lernstoff bearbeiten sie in diesem -žProjekt-Kompetenz-Studium-œ ein studienbegleitendes Praxis-Projekt aus ihrer Dienststelle, das es ermöglicht, erlerntes Wissen direkt in unternehmensrelevante Aufgabenstellungen zu übertragen. So stellen wir einen optimalen Transfer des neu erworbenen Fachwissens in die tägliche Praxis sicher. Voraussetzung für den Erwerb des Bachelor-Abschlusses sind zudem das Anfertigen einer theoretisch fundierten Studienarbeit, einer projektbezogenen Bachelorarbeit inklusive Bachelor-Thesis sowie deren Verteidigung in einer mündlichen Abschlussprüfung.

Grundsätzlich berechtigen Abitur oder Fachhochschulreife sowie zweijährige Berufserfahrung oder Berufsausbildung zum Studium Doch auch Fachkräfte mit mittlerer Reife, Berufsausbildung und mindestens vierjähriger Berufspraxis können sich für den Studiengang anmelden.

Wieso ist die Fortbildung auch für Mitarbeiter ohne Abitur interessant?

Dr. Elmar Ziegler: Technische Fachkräfte, die nicht über Abitur oder Fachhochschulreife verfügen, hatten es bisher schwer, eine qualifizierende Weiterbildung, die über Techniker oder Meister hinausgeht, zu absolvieren. Mit dem Bachelorstudium können sie sich auch ohne Abitur beruflich weiter entwickeln und haben die Chance mehr Verantwortung in ihrem Team oder in Projekten zu übernehmen.

Sie setzen bei dem Projekt auf Blended Learning. Welche Vorteile bietet diese Form der Qualifizierung Ihrer Meinung nach?

Dr. Elmar Ziegler: Die Blended Learning-Methode wird in der betriebswirtschaftlichen Ausbildung bei Siemens seit längerem praktiziert. Ihre Integration in die technische Aus- und Fortbildung von Siemens Professional Education bietet aus unserer Sicht die besten Möglichkeiten, die Lernphasen flexibel in den Alltag unserer Mitarbeiter einzubinden.


In einer Kombination aus 81 Präsenztagen und 596 Selbstlern- und Transfertagen bearbeiten die Teilnehmer die Studieninhalte und Aufgaben weitgehend selbstständig über die Lernplattform, die Lerntechnologie und das System von e/t/s didactic media, besprechen die Inhalte in Gruppen und wenden die Theorie dann direkt in ihren Projektarbeiten und der betrieblichen Praxis an. Damit erreichen wir den größtmöglichen Transfer des Gelernten in die tägliche Labortätigkeit der Bachelor of Engineering-Studierenden und können die Siemens Kernkompetenz "Elektrotechnik" auf diese Weise langfristig und nachhaltig stärken.

Wie wird das Angebot von den Mitarbeitern angenommen? Gibt es schon Feedback von den Teilnehmern?

Dr. Elmar Ziegler: Die Resonanz auf das Projekt ist gut. Momentan studiert eine Pilotgruppe von 18 Personen. Wir planen Folgegruppen im jährlichen oder sogar halbjährlichen Abstand. Auch von den Teilnehmern haben wir bislang durchwegs positives Feedback erhalten.