EU-Projekt

Sprachenportfolio für Blinde und Sehbehinderte

Hamburg, April 2008 - Chancengleichheit für Blinde und Sehbehinderte ist der Leitgedanke des neuen Projektes an dem die ICC The European Language Network mit fünf weiteren Partnerorganisationen beteiligt ist. Das Projekt hat zum Ziel ein mehrsprachiges europäisches Sprachenportfolio zu entwickeln, um Chancen für Blinde und Sehbehinderte beim Erwerb fremder Sprachen zu fördern. CHECK.point eLearning sprach mit Christel Schneider, Geschäftsführerin des ICC The European Language Network.




ICC The European Language Network hat gerade ein neues EU-Projekt gestartet. Um was geht es dabei und was sind die Ziele?

Christel Schneider: Das übergeordnete Ziel ist, die Chancen zum Sprachenlernen von Blinden und Sehbehinderten zu fördern. Das Projekt legt einen besonderen Schwerpunkt auf die spezifischen Bedürfnisse von blinden und sehbehinderten Lernern, um ihnen die gleichen Chancen zum Sprachenlernen zu eröffnen.

Auch die Motivation zum Lernen bei Blinden und Sehbehinderten zu fördern ist ein wichtiges Ziel des Projekts. Entscheidend ist daher, dass das Lehrpersonal, Lehrbuchautoren, Material- und Lehrplanentwickler sowie Kursdesigner den Sprachlernprozess klar und transparent machen und auf für Blinde spezifische Besonderheiten eingehen.

An wen richtet sich das Sprachen Portfolio für Blinde und Sehbehinderte?

Christel Schneider: Die Hauptnutznießer des Projektes werden selbstverständlich blinde und sehbehinderte Erwachsene und Jugendliche Sprachenlerner ab 15 Jahren sein.

Darüber hinaus ist das Portfolio allerdings auch für Sprachlehrkräfte ein nützliches Instrument, um die Bedürfnisse von Sehbehinderten besser verstehen, den Lehrprozess beobachten und den Erfolg ihrer pädagogischen Maßnahmen bewerten zu können.

Für Lehrplan- und Testentwickler bietet das Portal eine wichtige Grundlage zur Entwicklung von Curricula und Tests. Es gibt ihnen Aufschluss über die Sprachbeschreibungen (Deskriptoren), die für diese spezifische Lerngruppe relevant sind.

Und nicht zuletzt gibt das Sprachenportfolio für Blinde und Sehbehinderte Bildungseinrichtungen und Arbeitgebern ein Instrument an die Hand, die Sprachkenntnisse von Sehbehinderten einzuschätzen. Unabhängig davon, ob diese sich zu einem Kurs oder einer Weiterbildungsmaßnahme anmelden, sich um eine Arbeitsstelle bewerben oder an einer internationalen Veranstaltung teilnehmen möchten.

Welche Projektschritte haben Sie geplant und wie sieht die praktische Umsetzung aus?

Christel Schneider: In einem ersten Schritt müssen die Spezifika und Grenzen des Sprachenlernens für Blinde und Sehbehinderte eruiert werden und dann entsprechend in Beschreibungen (Deskriptoren) für die verschiedenen Niveaustufen erstellt werden.

Unsere Projektpartner, die entweder selbst erblindet sind oder in direktem Kontakt zu Blinden und Sehbehinderten stehen, haben hier hilfreiche Hinweise gegeben, die eine besondere Bedeutung für die spezifische Situationen von Blinden haben.

Beim Hörverständnis zum Beispiel ist es für einen Blinden relevant, Gesprochenes mit Hilfe von Synthesizern bzw. Screenreadern zu verstehen. Technische Neuerungen wie sprechende Telefone, sprechende Barometer, sprechende Uhren etc. gewinnen zunehmend an Bedeutung im täglichen Leben eines Blinden.

Einem Gespräch in einer anderen Sprache zu folgen, an dem mehrere Personen beteiligt sind, ist für Blinde schwieriger als für Sehende, besonders wenn die Sprecher mit unterschiedlichen Akzenten sprechen. Solche Beispiele verdeutlichen, welche spezifischen Fertigkeiten bei der Erstellung der Deskriptoren berücksichtigt werden müssen.

Wann soll das Projekt abgeschlossen sein?

Christel Schneider: Die Projektergebnisse werden mit einer großen Abschlussveranstaltung September 2009 in Kooperation mit dem ECML (European Centre for Modern Languages), Graz präsentiert.

Was sind Ihrer Ansicht nach die größten Vorteile?

Christel Schneider: Innovative Merkmale des Europäischen Sprachenportfolios für Blinde sind die Umsetzung des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens (GER) für Sprachen in einem spezifischen Kontext. Dabei geht es um nicht-optische Lernmethoden, die Bedeutung der Lese-/ und Schreibfertigkeit in Blindenschrift, der Ansatz verschiedene Sinne einzusetzen, um sprachliche Fertigkeiten zu erlangen, spezifische Wahrnehmungen und den Einsatz kommunikativer Medien zur Verständigung sowie spezifische Lernformate des Lehr- und Lernmaterials.

Es ist ein großer Vorteil, dass das Europäische Sprachenportfolio für Blinde alle Sprachen einbezieht, auch die weniger verbreiteten. Wir werden nationale Versionen entwickeln, somit kann es im Unterricht für jede Sprache benutzt werden.

Das Portfolio ist in einem für die Zielgruppe leicht verständlichen Text geschrieben und über die elektronische Version hinaus auch in Blindenschrift verfasst. Durch Screenreading, also der Wandlung von Text auf Sprache sowie Druckversionen in Blindenschrift, ist der Text auf verschiedene Weisen abrufbar.

Die in dem Projekt entwickelten spezifischen Sprachbeschreibungen (Deskriptoren) und Selbsteinschätzungsraster bieten eine gute Grundlage für die Entwicklung weiterer Portfolios, Tests und Materialien für spezifische Lerngruppen und können somit als Modell für sprachspezifische Sprachenportfolios gesehen werden, die von anderen Altersgruppen, unterschiedlichen Berufsgruppen sowie Fachgruppen und Arbeitsbereichen genutzt werden können.

Wer sind Ihre Projektpartner und wie sieht die Aufgabenverteilung aus?

Christel Schneider: Alle an dem Projekt Europäisches Sprachenportfolio für Blinde und Sehbehinderte beteiligten Partner haben bereits an zahlreichen EU-Projekten mitgewirkt und deshalb einschlägige Erfahrungen gesammelt.

Projektpartner aus Bulgarien ist Euroinform Ltd., in Griechenland ist die Helios School for the Blind ansässig und deutscher Partner ist ICC The European Language Network. Die Language Training London (LTL) ist mitwirkende Institution aus Großbritannien und das Berufsförderungsinstitut Steiermark (bfi) ist in Österreich ansässig.

Federführend für das Projekt ist die bulgarische Organisation Euroinform Ltd., die erst kürzlich mit dem Silver Award der Europäischen Kommission für die Entwicklung von Sprachlernmaterialien für Blinde und Sehbehinderte im Rahmen eines Socrates Lingua Projektes -žListen and Touch-œ ausgezeichnet wurde.