Erfolgskriterien

Serious Games: Nur Qualität macht Spaß

Amsterdam, Mai 2008 - "Nur wenige Serious Games erreichen einen akzeptablen Spaßfaktor und können qualitativ mit kommerziellen Computer-Games mithalten", meint die Medienpsychologin Prof. Dr. Ute Ritterfeld, Lehrstuhlinhaberin am Institut für Psychologie der Universität Amsterdam. Gerade hat sie eine Untersuchung von rund 650 öffentlich zugänglichen, englischsprachigen Serious Games abgeschlossen.




Warum ist es plötzlich so populär Serious Games als Alternative zu eLearning-Angeboten einzusetzen?

Dr. Ute Ritterfeld: Diese Entscheidung kommt nicht von ungefähr und ist auch nicht als plötzlicher Hype zu werten, sonder muss im historischen Zusammenhang gesehen werden.
ELearning eröffnete erstmals die Möglichkeit, geografische Grenzen zu überwinden und zeit- und ortsunabhängig zu lernen. Viele eLearning-Angebote sind gut, aber anderen Lernangeboten nicht wirklich überlegen. Noch immer ist es schwer die Motivation der Teilnehmer zu erhalten, wenn es nicht um Inhalte geht, die ein absolutes "Muss" sind.

Computer- und Videospiele dagegen finden reißenden Absatz. Allein in Deutschland betrug der Umsatz der Games-Industrie im Jahr 2007 rund 1,3 Milliarden Euro. Und Spieler sind so motiviert, dass sie im Schnitt 7,5 Stunden in der Woche mit diesen Spielen zubringen. So lag die Überlegung nahe, das intrinsisch motivierende Potenzial der Games für ernsthafte Inhalte zu nutzen. Das war die Geburtsstunde von Serious Games.

Welche Zielgruppen sollten Hersteller von Serious Games ansprechen?

Dr. Ute Ritterfeld: Die Zielgruppe der Gamer ist gar nicht so jung, wie immer angenommen. In den USA lag das durchschnittliche Alter der Spieler 2007 etwa bei 33 Jahren, so die Zahlen der Entertainment Software Association. Die Zielgruppen haben sich auch noch oben und unten weiter ausgeweitet.

Den Markt für die ältere Zielgruppe haben allerdings erst Serious Games für Nintendo Wii oder Nintendo DS geöffnet. Sogar in Altenheimen wird heutzutage Wii-Sports oder Wii-Fit gespielt. 25 Prozent aller Spieler sind inzwischen älter als 50 Jahre.

Am Computer spielende Kinder werden immer jünger. Die Altersgrenze hat zwar noch nicht das Teletubbies-Alter erreicht, aber Angebote wie "Whyville" oder "Tivi" erreichen bereits Schulkinder.

Als Phänomen ist dabei zu betrachten, Spieler bleiben Spieler. Wenn Menschen einmal angefangen haben digitale Spiele zu spielen, bleiben sie dabei. Dieser Zielgruppe fällt es entsprechend leichter, Lerninhalte spielerisch aufzunehmen. Gamer sind daher auch immer potenzielle Nutzer von Serious Games.

Wo werden Serious Games am häufigsten eingesetzt?

Dr. Ute Ritterfeld: Weltweit haben wir 650 englischsprachige Serious Games gefunden, die öffentlich frei zugänglich sind. Diese haben wir in einer groß angelegten Studie untersucht, die demnächst unter dem Titel "Serious Games: Mechanisms and Effects" veröffentlicht wird.

Das intrinsische Potenzial von Serious Games haben vor allem Schulen und Universitäten für sich entdeckt. Rund 63 Prozent aller Spiele setzen sich mit Themen im schulischen Kontext auseinander, wie Sprachen, Mathematik, Physik oder Chemie.

14 Prozent der Serious Games beschäftigen sich mit gesellschaftsverändernden Themen. Als eines der bekanntesten Spiele ist hier das von den United Nations herausgegebene Serious Game "Food Force" zu nennen, das sich mit dem weltweit brisanten Thema Hunger auseinander.

Zehn Prozent der Serious Games werden im Bereich berufliche Weiterbildung eingesetzt und acht Prozent aller Games beschäftigen sich mit dem Thema Medizin und Gesundheit. Fünf Prozent rechnet man zu den militärischen Games und nur ein verschwindendes Prozent entfällt auf Marketing Games.

Marketing- oder so genannte Advergames werden ebenfalls den Serious Games zugerechnet, denn ihnen fällt die Aufgabe zu, die "Stickiness" des Brandings zu erhöhen. Aber gerade unter ihnen gibt es viele Spiele, die eine geradezu lächerlich schlechte Qualität aufweisen.

Serious Games werden meist mit kleinen Budgets produziert und halten dann nicht, was sie versprechen. Gerade im Bereich Advergames kann ich deshalb nur an die Unternehmen appellieren: "Tut Euch zusammen und macht aus dem gemeinsamen Budget lieber etwas richtig Gutes".

Sind Serious Games anderen Lernangeboten überlegen?


Dr. Ute Ritterfeld: Es ist ein Fehlschluss, Serious Games als die Problemlösung anzusehen. Sie sind anderen Lernmethoden nicht zwangsläufig überlegen. Beispielsweise lassen sich unterpriviligierte Kinder schlecht von Lernspielen überzeugen, die schulischen Lernstoff transportieren.

Kinder, die in ihrem Umfeld erfahren, dass Gewalt das einzige Mittel zum Zweck ist, lassen sich kaum von einem Spiel begeistern, das ihnen die Folgen der Klimaerwärmung und das Aussterben der Eisbären näher bringen soll. Hier erfüllt vielleicht ein Film mit einer involvierenden Geschichte viel eher seinen Zweck.

Welche Faktoren sind wichtig für den Erfolg?


Dr. Ute Ritterfeld: Wir haben fünf wichtige Erfolgsfaktoren ausgemacht. Das ist einmal die Qualität der technischen Funktionalität und zweitens das Game-Design. Die Spieltechnologie muss den Standards von kommerziellen Unterhaltungsspielen genügen.

Als dritter Erfolgsfaktor ist die visuelle und akustische Qualität zu nennen. Eine armselige ästhetische Präsentation mit pixeligen Bildern motiviert nicht zum Spielen. Auch die grafische und akustische Funktionalität muss mit kommerziellen Spielen vergleichbar sein. Schlechte Stimmen, holperige Dialoge oder unrealistische Geräusche führen zu Abbrüchen.

Nur die wirklich guten Spiele vereinen als Punkte vier und fünf auch eine gute Storyline und die Möglichkeit der Partizipation. Eine Geschichte ist wichtig, damit der Spieler das Spiel interessant findet und öfter als einmal spielt. Auch die soziale Partizipation in Form von Multi-Player-Funktionen hält das Interesse aufrecht.

Als wir diese fünf Kriterien an Serious Games anlegten, mussten wir leider feststellen, dass die meisten bereits an den ersten zwei Faktoren scheiterten. Wenige Spiele machen wirklich Spaß und nutzen das intrinsische Potenzial.

Ein höherer Spaßfaktor erfordert meist ein höheres Budget als durchschnittlich für Serious Games zur Verfügung steht. Es hat sich allerdings gezeigt, dass Serious Games wie beispielsweise "Palestine" oder "ReMission", die mit einem hohen Aufwand und kommerzieller Technologie produziert wurden, auch entsprechend erfolgreich sind.