Der Mix macht's

Die sieben Erfolgsfaktoren des eCoaching

Ulm, August 2012 - (von Dr. Katja Kantelberg) ECoaching boomt, denn immer mehr Menschen haben Bedarf auch über Distanzen hinweg eine Unterstützung bei eigenen Entwicklungsvorhaben oder in schwierigen Situationen durch Coaching zu erhalten. Die Arbeitspsychologie erklärt dies beispielsweise durch die massive Verdichtung der Arbeitsprozesse, die nur noch wenige Spielräume für entspannt-distanzierte Betrachtungen lassen. Da ist dann ein Coach gefragt. Bei gleichzeitig potenzierter Mobilität darf es auch
ein eCoaching sein. Doch: Führt Coaching über die Entfernung nicht zu einem hohen Qualitätsverlust?




Die Bedeutung des Coaching über digitale Kanäle


Immer mehr Menschen melden Bedarf an eCoaching an. Mehrtägige Arbeitseinsätze außerhalb des Stammhauses vieler Berufstätiger haben zugenommen und verstärken den Wunsch, sich bei heiklen Themen lieber mit Vertrauten zu umgeben. Viele Menschen greifen dann bevorzugt auf einen ihnen bekannten Coach oder ihre Peer Group für eine kollegiale Beratung zurück. Andere wiederum tun sich leichter, sich in der den IuK-Technologien eigenen, größeren Anonymität einem Coach zu öffnen und mit ihm über Distanz persönliche Schwierigkeiten zu reflektieren.


Auch Firmen setzen zunehmend stärker auf das Thema Coaching via digitale Medien, da sie dieses Instrument inzwischen nicht nur als Potenzialentwicklungsmethode sondern auch als Mitarbeiter-Bindungs-Instrument für sich erkannt haben. Dabei stelle sich viele "gestandene" Coaches die Frage: Führt Coaching über die Entfernung nicht zu einem großen Qualitätsverlust? Ist eCoaching genauso wirksam und empfehlenswert?



Der Begriff des eCoaching



Coaching und somit auch das eCoaching verstehen wir als psychologisch- und handlungsorientierte Prozessberatung zu persönlichen oder beruflichen Entwicklungsvorhaben. Der Begriff eCoaching wird in der Fachliteratur oft synonym mit den Begriffen eMentoring, Tele-Coaching oder eTutoring verwendet. Dies verdeutlicht, dass es Coaching in verschiedenen Varianten von Lernprozessen gibt.


Zu den Basiskompetenzen eines eCoachs gehören neben der Empathie und der kommunikativen Kompetenz ein ausdifferenziertes Spektrum an Methodenkompetenz und (medien-)didaktischem Know-How. Ein eCoach muss darüber hinaus fähig sein, seine Interventionsmethoden und Techniken auch in die Kommunikation auf Distanz, in den virtuellen Raum "zu übersetzen".


ECoaching ist unserem Verständnis nach die komplett medial/digital stattfindende Kommunikation zwischen einem Coach und einem oder mehreren Coachees. An dieser Stelle sei jedoch betont, dass Blended Coaching - also einem Mix aus Face-to-Face-Coaching und Coaching über digitale Medien - dem reinen Face-to-Face-Coaching überlegen ist. Gerade in der additiven virtuellen Unterstützung liegen Chancen und Möglichkeiten, die der reine Präsenzablauf eines Coachings nicht unbedingt leistet.


Die sieben typischen eCoachingphasen



Das Vorgespräch: Während dieser Phase der Erstbegegnung lernen sich Coach und Coachee kennen, die Professionalität und Vertrauenswürdigkeit des Coaches durch die Darlegung seiner beruflichen Hintergründe und Arbeitsweisen vom Coachee geprüft. Es ist die entscheidende Phase zur Etablierung von gegenseitigem Vertrauen, die nach unserer Erfahrung auch über Distanz möglich ist, aufzubauen.


Häufig jedoch geht dieser Variante eine Bedingung voraus: Vorgespräche mit dem Coachee über Distanz funktionieren, wenn im Vorherein eine vertrauenswürdige Quelle den Coach empfohlen hat. Dann können auch die Schwerpunkte der Beratung sowie die aktuelle Situation des Coachees direkt angesprochen und die Ziele sowie der ungefähre zeitliche Umfang für das Coaching vereinbart werden.


Die Vereinbarung. Da häufig unternehmensinterne Personalentwickler die Freigabe für ein Coaching verantworten, ist vom Coach ein weiteres Kommunikationsfeld zu bestellen. Hier zeigt die Erfahrung, dass bei Erstkontakten ohne Empfehlungsquelle eine Blended-Variante günstiger ist, da dann der Personalentwickler den wichtigen Moment des ersten Eindrucks braucht. Der Teilabschnitt dieser Phase zu den Aspekten und konkreten Rahmenbedingungen wie Zielen, Erwartungen, Umfang, Finanzierung und Ort des Coachings ist prädestiniert für den "eWeg".


Die Analyse. Die Analyse steht am Anfang eines Coachings, in der der Coach Informationen sammelt, Problemfelder identifiziert, konkretisiert sie und analysiert. Hierzu benötigt er digitale Visualisierungstools, denn die Ist-Situation muss in Form von Visualisierungen festgehalten werden.


Die Gesprächsführung und die parallele Visualisierung mit digitalen Werkzeugen stellen auch erfahrene eCoaches immer wieder vor Herausforderungen und können nur durch regelmäßige Handhabung der Werkzeuge selbstverständlich werden. Hier ist also ein reiner eWeg möglich, sollte aber mit synchronen Tools realisiert werden.


Die Entwicklungsschwerpunkte. Diese Phase braucht unserer Erfahrung nach zunächst fast immer die Face-to-Face-Kommunikation. Denn in dieser Phase erhält der Coachee vom Coach eine erste Rückmeldung auf die wahrgenommenen Verhaltensweisen und erarbeitet mit ihm neue Handlungsoptionen. Körpersprache ist in dieser Phase nahezu ein MUSS, da sich diese nach wie vor nur sehr schlecht bis gar nicht virtuell darstellen lässt.


Doch auch in dieser Phase ist der richtige Blend, der richtige Mix entscheidend: Für zeitintensive Reflexionsprozesse sind dann asynchrone Technologien wie Mails, Blogs, Wikis oder Foren zu empfehlen, die sowohl textbasierte Kommunikations- und Interaktionsmöglichkeiten bieten. Virtuelle, synchrone Welten wie Second Life und virtuelle Klassenzimmer ermöglichen Nähe und ergänzen in dieser Phase durch audio-visuelle Komponenten. So werden längere wechselseitige Dialoge wie in der realen Face-to-Face-Kommunikation über die Nutzung von Web-Cam-Technologien möglich.


Die Umsetzung / Der Transfer. Diese Phase ist prädestiniert, über digitale Kanäle unterstützt oder gesteuert zu werden. Die Erfahrung zeigt, dass hier ein echter Mehrwert von "E" gegenüber klassischen Face-to-Face-Coachings entsteht und gewinnbringend genutzt werden kann. Denn häufig ist der "innere Schweinehund" stärker als der Veränderungswille und die identifizierten Veränderungsvorhaben werden gern vom Alltagsrauschen übertönt.


Reine Präsenz-Coachings leider häufig unter einer zu langsamen Umsetzungsdynamik. Der Wille und die Disziplin eines Coachees können durch den Einsatz medialer Werkzeuge effektiv unterstützt werden. Dies bestätigen u.a. auch Kollegen, indem sie formulieren, dass der Bearbeitungsstand bzw. Lernfortschritt von dem eCoach bzw. Online-Tutor so gut beobachtet und bei Bearbeitungsschwierigkeiten unterstützt werden kann.


Die virtuelle Unterstützung hat nach ihren Aussagen sowohl positive Auswirkungen auf den Selbstcoachingprozess (vgl. Geißler/Helm/Nolze 2007) als auch auf den Lernprozess an sich. Zudem wird es möglich, den Transfer bis in die Praxis hinein zu begleiten (vgl. Kerres 2001).

Die Erfolgs-/Transferkontrolle. Auch die Phase der Transfer- und Erfolgssicherung gewinnt deutlich an Prägnanz und Effizienz, wenn mediale Coachingelemente genutzt werden. Coach und Coachee können auch über Distanz via "heißem Draht" den Status der vereinbarten Veränderungsstrategien analysieren und weitere Schritte vereinbaren.


Medienkanäle wie Mail, Skype, Virtual Classrooms eignen sich hervorragend, den Veränderungsprozess engmaschiger und damit effizienter und nachhaltiger zu begleiten. So können z.B. berufliche Entwicklungsstrategien durch das Bearbeiten von Bewerbungsunterlagen via online oder das Proben von Vorstellungsgesprächen im virtuellen Seminarraum aktuell zum laufenden Entwicklungsprozess diesen zielführend unterstützen, ohne jedes Mal live mit dem Coach in einem Raum sein zu müssen.


Der Abschluss. Diese Phase kann tatsächlich rein virtuell/medial gestützt stattfinden, ohne an Qualität einzubüßen. Ein Resümee in Form von Lern- und Entwicklungsergebnissen lässt sich gut zu einem Zwischen- oder Abschlussgespräch schriftlich fixieren.


Die neue Qualität für das Coaching entsteht dadurch, dass die schriftliche, asynchrone Reflexion zur Vor- und/oder Nachbereitung dieser Phase für beide Seiten folgende Vorteile bietet: dem Coachee stehen diese Reflexionsnotizen als "Auffrischer" nach einem gewissen zeitlichen Abstand als Motivationskick und Hilfe zur Selbsthilfe zur Verfügung. Dem Coach dienen diese schriftlichen Reflexionen als Pool u.a. für Referenzanfragen, die er potentiell Interessierten - selbstverständlich anonymisiert - vorlegen kann.



Wie die skizzierten Phasen zeigen, bedarf es auf Seiten der Coaches mitunter einer Kompetenzentwicklung besonders im Bereich der Medien- und Didaktikkompetenz. Das Thema Coaching - mit oder ohne "E" - als reines virtuelles oder reines Face-to-Face-Coaching oder in einem Blended-Format bedarf immer eines auf die individuellen Bedarfe des Coachees angepasste Dramaturgie. Patentrezepte von der Stange sind auch in diesem Feld nicht zielführend, da es um Lernen und Entwicklung geht. Und dieses Lernen ist eben immer individuell!