eSience im Webinar

ELearning der Zukunft heisst "Mobile" und "OER"

Dresden, Februar 2013 - (von Prem Lata Gupta) Jede Zielgruppe hat andere Bedürfnisse: Auf der einen Seite nutzt ein großer Teil der Studierenden an der TU Dresden die universitäre Lernplattform. Auch wenn einige meinen, man könnte sich doch genauso gut auf Facebook austauschen. Die Lehrenden sind längst nicht alle so lässig, deshalb findet unter anderem das Q2P-Forum statt. Prof. Dr. Thomas Köhler, Direktor des Medienzentrums, konstatiert neue Herausforderungen, etwa die "Veränderung des Alltags der Wissenschaftler, die sich mittlerweile in vollständig digitale Forschungs-Workflows eingebunden sehen".




Inwiefern sind eLearning-Anwendungen an der TU Dresden inzwischen Bestandteil des Alltags? Worin drückt sich dies aus?

Prof. Dr. Thomas Köhler: An der TU Dresden nutzen aktuell etwa 22.000 Studierende, das sind zwei Drittel der Studierenden insgesamt, die Lernplattform. Lehrkräfte machen umfangreiche Angebote zur Unterstützung der Präsenzangebote in verschiedener Form - von der simplen Dokumentenablage bis hin zu Video- oder Audio-Vorlesungsmitschnitten oder eAssessments. Die Nutzerzahlen aller dieser Angebote wachsen aktuell zweistellig weiter.


Darüber hinaus haben unsere Studierenden die Möglichkeiten, eigene Arbeitsgruppen mit Online-Werkzeugen zu unterstützen oder auch in Vorbereitung auf das Hochschulstudium online Kurse zu belegen. Ein breites Angebot an Support und
Weiterbildung - getragen vom Medienzentrum, dem Zentrum für Weiterbildung und auch dem Hochschuldidaktischen Zentrum Sachsen - hilft den Lehrkräften, dabei, nicht den Überblick zu verlieren und auch neue Möglichkeiten kennen zu lernen.

Was weiß man über die Akzeptanz bei den Studierenden, aber auch bei den Lehrenden?

Prof. Dr. Thomas Köhler: Die Akzeptanz der Studierenden für das eLearning steigt, obschon auch klar gesagt wird, dass sie sich ein Präsenzstudium mit guter Betreuung wünschen. Reine Online-Varianten werden oft (noch) abgelehnt, hier spielt
der Standort, in unserem Fall Dresden, einfach eine große Rolle.

In Kürze findet das Q2P-Forum statt. Mit welcher Intention? Welchen Stellenwert haben digitale Medien in der postgradualen Weiterbildung?

Prof. Dr. Thomas Köhler: Wichtig ist: Lehrende an der Hochschule sind immer auch Kursersteller, bereiten ihre Vorlesung oder ihre Seminar selbständig vor. Das unterscheidet die Hochschule von der Schule und hier setzen wir mit dem Q2P-Forum an. Ziel ist, diejenigen Lehrkräfte zu unterstützen, die selbst ein neues eLearning-Angebot erstellen wollen oder dies planen.


Auf dem Forum haben wir einen Austausch zu Best Practice vorgesehen - dieses bietet sich ob der kompetenten Referenten wie z.B. der Geschäftsführer der DIU Dresden International University, der privaten Weiterbildungstochter der TU Dresden
mit mehr als 1.000 Studierenden, und der Vizepräsident für Lehre der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, der größten Hochschule in BWB, an.


Aber es geht auch darum, eigene Strategien für den Einsatz von eLearning in der Weiterbildung zu entwickeln und diese durch Vergleich mit andern Anbietern auf Tauglichkeit zu prüfen.

Das Medienzentrum hat ein breit gefächertes Aufgabengebiet: Welche Projekte und Aktivitäten sind derzeit besonders wichtig?

Prof. Dr. Thomas Köhler: ELearning kommt ja - zumindest als Begriff in der wissenschaftliche Diskussion - bereits in die Jahre. Hier gibt es neue Trends, wie die zunehmende Mobilisierung des Lernens und auch die Öffnung der Bildungsinstitutionen: Stichwort sind Mobile Learning und Open Educational Ressources (kurz OER).


Diese sind in der Praxis der Hochschule noch nicht angekommen, daher auch nicht ohne weiteres anschlussfähig und bedürfen weitere Konzeptentwicklung. Damit im Zusammenhang steht auch die Frage, wie der Lernort der Zukunft - in der Hochschule - aussehen wird. Ein weiteres Thema welches uns beschäftigt, ist die Veränderung des Alltags der Wissenschaftler, die sich mittlerweile in vollständig digitale Forschungs-Workflows eingebunden sehen - oft aber keine Strategie für das eigene Handeln haben.


Hier beobachte ich oft mit Sorge, dass die Veränderung von Werkzeugen, Methoden und Standards permanent geschieht - und viele Wissenschaftler davon einfach überrollt werden. In gewisser Weise kann man dies auch auf die jüngsten Plagiatsfälle anwenden. Die Wissenschaftler machen hier einen unbedarften und oft völlig überforderten Eindruck und die allgemeine medienaffine Öffentlichkeit scheint wesentlich kompetenter zu agieren! Das wirft Fragen auf, denen wir uns bereits widmen.

Wie erleben Sie die so genannten Digital Natives?

Prof. Dr. Thomas Köhler: Tja, wenn mir in einem Seminar Studenten sagen, dass sie eigentlich unsere Werkzeuge nicht benötigen, da sie sich selbst eine Facebook-Gruppe eingerichtet haben oder die Dropbox nutzen, wirft dies Fragen auf, die sich nicht nur autoritär beantworten lassen.


Wir haben gerade ein Buch in Vorbereitung, welches unter dem Titel "Informelles Lernen Studierender mit Social Software unterstützen" den sogenannten "Student Life Cycle" in den Blick nimmt und Empfehlungen gibt, welche Werkzeuge und Strategien für die Studierenden geeignet sind. Ausgangspunkt dazu war einen Analyse studentischer Nutzung von Web 2.0 rund um den Lehrbetrieb an verschieden Hochschulen.

Wie lassen sich informeller Wissenserwerb, das Tummeln der Studierenden in Social-Media-Kontexten und der Lehralltag an der Uni zusammenbringen? Wie müssen Features erweitert oder angepasst werden?

Prof. Dr. Thomas Köhler: Wie gerade erwähnt haben wir in unserer Projektgruppe "Learner Communities of Practice" informelles Lernen Studierender mit Social Software
untersucht und wollen strategische Empfehlungen für Hochschulen geben, dies zu unterstützen. Dazu finden Sie auch auf unserem BLOG weitere Details und Materialien für die Nachnutzung der eigenen Hochschule.

Wenn man bedenkt, dass junge Menschen heute durch Web 2.0, mobile Anwendungen und Social Media anders sozialisiert sind und wenn man gleichzeitig in Rechnung stellt, dass sich die Vermittlung von Wissen technologisch-didaktisch verändert hat: Werden Studierende Ihrer Ansicht nach dadurch Kompetenzen entwickeln, die sich später positiv auf ihre Karriere auswirken?


Prof. Dr. Thomas Köhler: Gerade haben wir ein Projekt zum Online-Ausbildungsnachweis abgeschlossen, wo wir direkt auf diese Zielgruppe und deren Medienkompetenz eingehen. Das Buch "Das Online Berichtsheft. Stärkung der Lernortkooperation in der dualen Berufsausbildung durch Web2.0." wird hoffentlich direkt zur Didactica 2013 ausgeliefert.


Dabei konnten wir feststellen, dass die Jugendlichen, hier die Azubis, nicht besonders gut in der Lage sind, ihre im privaten Kontext gemachten Erfahrungen mit Social Media ohne weiteres in den Bildungs- oder betrieblichen Kontext vorteilhaft zu übertragen. Oft werden sie dazu auch nicht ermutigt. Hier bedarf es also gezielter Intervention bei allen Beteiligten, Ausbildung und Lehrer wie eben auch bei den jungen Menschen selbst.

Sie pushen eLearning nicht nur in der Lehre. Ihre Aktivitäten erstrecken sich auch auf die Entwicklungen von Angeboten, die moderne Weiterbildung im realen Arbeitsalltag ermöglichen. Inwiefern sind "Awimas" oder die "sifa-community" gelungene Beispiele für eine sinnstiftende Zusammenarbeit zwischen Universität und Wirtschaft?

Prof. Dr. Thomas Köhler: Ja, sicher - wobei hier auch deutlich wird, dass es neben den globalen Standards wie Facebook, wo ein Werkzeug in der weitestgehend gleichen Konfiguration für 50 Prozent der Internetnutzer einsetzbar ist, immer auch spezifische Communities gibt - die ihren Wissensbedarf durch Kooperation in geschlossenen und spezifisch konfigurierten Portalen decken. Hier finden sich bereits jetzt fast für jede Berufs- und Fachgruppe Einsatzszenarien, deren Nutzung wir für unsere Studenten in den Blick nehmen wollen.


Weiterbildung spielt sich gerade im betrieblichen Kontext nicht mehr nur an dem Ort der jeweiligen Bildungsstätte ab, lagert sich vielmehr mediengestützt an den Arbeitsort an und bedarf pädagogisch und didaktisch kompetenter Betreuung.


Noch ein Gedanke ist mir wichtig: Während im betrieblichen Kontext bei der Produktion zugehöriges Wissen quasi nebenbei anfällt und teils wenig Beachtung findet, beobachten wir in den Lerngemeinschaft der Schulen und Hochschulen genau das Gegenteil. Hier steht das Wissen im Mittelpunkt und die Produkte geraten aus dem Blick.


Idealerweise sollten sich beide Perspektiven ergänzen - was bei digitalen Produkten und online stattfindenden Lernprozessen natürlich ideal kombinierbar ist.

Zum 10-jährigen Bestehen des Bildungsportals Sachsen haben Sie kritische Töne angeschlagen, was die hochschulübergreifende Nutzung von eLearning-Inhalten angeht oder den Export von Inhalten in andere Bundesländer. Wo besteht Aufholbedarf, wie lassen sich aus Ihrer Sicht Wunsch und Wirklichkeit besser zusammenbringen?

Prof. Dr. Thomas Köhler: Ja, das ist richtig. Die Rezeption aus Deutschland kommender Online-Lern-Angebote ist weltweit eher marginal, hier sind insbesondere die
US-Elite-Unis mit einem großen Vorsprung gut etabliert, aber auch australische und britische Hochschulen spielen gerade in Asien eine große Rolle.


Wussten Sie, dass es in beispielsweise China ein Portal gibt, wo die Vorlesungsmitschnitte führender US-Unis gebündelt abrufbar sind? Wenn Deutschland den Anspruch auf Elite hat, bedarf es hier einer massiv verbesserten Sichtbarkeit - akademische Meinungsführerschaft funktioniert nur über die Möglichkeit der Wahrnehmung. Dafür spielt die Verbreitung der Sprache sicher eine große Rolle, aber eben auch die Nutzung geeigneter Online-Werkzeuge für den Transfer der Bildungs- und Wissenschaftsinhalte.


Damit sind wir dann wieder an der Schnittstelle zwischen eLearning und eScience und vielleicht sogar Open Education und Open Science angelangt. Ein zum Thema passendes Webinar können die Leser von CHECK.point eLearning übrigens gleich am 6. Februar 2013 zwischen 18 und 19.30 Uhr besuchen.