Learning Ecosystem

Vom ersten Schultag bis zum letzten Arbeitstag

Manuel NitzscheSalt Lake City / Köln, April 2019 - Digitale Hochschule, lebenslanges Lernen, neue Konzepte der Wissensvermittlung – der Anbieter Instructure Inc. aus Salt Lake City schickt sich mit seinem cloudbasierten Learning Ecosystem an, Bildung und Wissensvermittlung neu zu erfinden. Was geht da vor sich? Profitieren Lehrende und Lernende tatsächlich? Manuel Nitzsche, Regional Director bei Instructure für die Region Deutschland, Österreich und Schweiz, gibt Auskunft.

Herr Nitzsche, was bietet Instructure?

Manuel Nitzsche: Wir positionieren uns als Partner für digitale Transformation in der Aus- und Weiterbildung. Dazu bieten wir ein Ecosystem aus Produkten und Dienstleistungen an, mit denen Bildungseinrichtung ihre Digitalisierungsziele erreichen. Für Hochschulen ist dies beispielsweise Canvas, unser Learning Management System (LMS). Damit unterstützen wir Blended Learning und neue pädagogische Ansätze für die Vermittlung von Kompetenzen.

Und wie sieht Ihr Ecosystem aus, was gehört dazu?

Manuel Nitzsche: Im Produktbereich bilden wir ganz klassisch alle Medien- und Lerneinsätze ab. Zum Beispiel bieten wir mit Canvas Interactive Video ein kollaboratives Videosystem, mit Practice eine Plattform für Microlearning und mit Bridge ein LMS speziell für die berufliche Fortbildung. Aber lassen wir den reinen Produkt- und Technikfokus hinter uns.

Bei Instructure geht es weniger um einzelne Technologie-Elemente, sondern um den ganzheitlichen Blick auf die Möglichkeiten. Darum gehören zu unserem Ecosystem auch Dienstleistungen, mit denen wir gezielt die Adaption neuer Technologie an Bildungseinrichtungen unterstützen – von der strategischen Beratung über Faculty-Workshops bis zur Erstellung von Lehrmaterialien. Denn die Investition in Technik ist nur dann sinnvoll, wenn sie von den Nutzern akzeptiert wird und ihnen einen Mehrwert bietet. Technologie als Selbstzweck wird aus meiner Sicht scheitern.

Allerdings sehen wir auch heute noch Ausschreibungen von Bildungseinrichtungen, die einen zum Teil veralteten Funktionskatalog für Software abfragen. Das macht perspektivisch keinen Sinn, weil sich Technologie rasend schnell entwickelt. Zukunftsorientierte Aspekte wie Benutzerfreundlichkeit, Nutzer-Akzeptanz, Mobilität oder Interoperabilität mit anderen (Cloud-)Systemen sind für meinen Begriff die zentralen Stärken unseres Ecosystems.

Was macht Ihr Learning Management System (LMS) Canvas besonders?

Manuel Nitzsche: Das sind für mich ganz klar zwei Dinge: Erstens, die Offenheit und Flexibilität von Canvas. Und zweitens, unsere sehr aktive Nutzer-Community, die sich bei technischen wie pädagogischen Fragen gegenseitig unterstützt. Unsere Nutzer sind zugleich eine wichtige Quelle für die Weiterentwicklung. Innovationen für die Lehrpraxis kommen so direkt von den Lehrenden selbst. Das ist es, was Bildungseinrichtungen hilft, sich erfolgreich auf Veränderungen auszurichten.  

Wie wollen Sie Vermittlung von Wissen erneuern?

Manuel Nitzsche: Heutzutage spielt die Vermittlung von Wissen aus meiner Sicht eher eine untergeordnete Rolle. Ich spreche eher von Kompetenzen oder Skills, die Lernende entwickeln sollen, um in sich einem stetig ändernden beruflichen Umfeld erfolgreich zu sein. Schaut man auf die Top Skills 2020 des World Economic Forum, stellt man fest: "Kreativität" und "kritisches Denken" stehen weit oben auf der Liste. Und diese Kompetenzen erwerben Lernende schneller, wenn sie fallbasiert, realitätsnah und kollaborativ lernen.

Viele Bildungseinrichtungen haben bereits Konsequenzen gezogen: An der niederländischen Hochschule Fontys etwa verzichtet ein Bachelorprogramm sogar komplett auf Noten. Stattdessen lösen die Studierenden zusammen mit ihren Dozenten reale Aufgaben aus der Unternehmenswelt. Dies geschieht in Arbeitsgruppen und hilft Studierenden, wichtige berufsrelevante Kompetenzen zu entwickeln. Instructure stellt die passende Technologie hierfür bereit – im Wesentlichen mit Canvas, das als Kollaborationsplattform dient.  

Was sind aktuell Ihre wichtigsten Projekte? Wie kommen die Hochschulen voran?

Manuel Nitzsche: Wir unterstützen gerade die Universität St.Gallen bei der Einführung von Canvas. Dort soll ein LMS der ersten Generation bis Jahresmitte abgelöst sein. Mittlerweile wagen sich auch öffentliche Universitäten in Deutschland an die Cloud und ihre Vorteile. Das ist für uns mit unserem Cloud native-Ansatz natürlich ein Vorteil. Insgesamt merkt man: Der Dialog wird offener, man orientiert sich internationaler. So kommt es auch vor, dass jemand Instructure-Produkte in den USA genutzt hat und sich jetzt fragt, warum wir in Deutschland primär noch inflexible, betreuungsintensive Software haben.

Wie profitieren Bildungseinrichtungen von digitaler Lehre?

Manuel Nitzsche: Wir beobachten, dass viele Bildungseinrichtungen, ob öffentlich oder privat, ihre Fühler ausstrecken und nach neuen Modellen suchen, vor allem in der Weiterbildung. Im Zuge des lebenslangen Lernens gibt es – auch von politischer Seite – interessante Bestrebungen. Hier sehe ich viel Potential für digitale Lernangebote, nicht nur für Business Schools. Wir werden in Zukunft immer mehr "nicht-traditionelle" Lernende sehen, die auch noch Jahre nach dem Studium Bedarf an Aus- und Weiterbildung haben und gerne an ihre Alma Mater zurückkehren würden. Einige Universitäten adressieren genau diese Lernende, um ihnen immer wieder interessante Angebote zu machen. Und dabei kann digitale Lehre helfen, denn sie macht das Lernen individuell – orts- und zeitunabhängig und auf Vorwissen und Medienpräferenzen jedes einzelnen zugeschnitten.

Wo liegen aus Ihrer Erfahrung die meisten Schwierigkeiten bei der Digitalisierung?

Manuel Nitzsche: Oftmals wird – aus meiner Sicht – der Begriff Digitalisierung falsch verstanden. Medien und Politik nutzen den Begriff häufig im Kontext von Infrastruktur: Breitbandausbau, WLAN an Schulen oder Universitäten. Dies ist zwar eine notwendige Voraussetzung, allerdings finden sich die eigentlich spannenden Digitalisierungsprojekte an der Schnittstelle zwischen IT und dem eigentlichen Geschäftsmodell. Bei Bildungseinrichtungen geht es also darum, wie sich mit neuer Technologie Forschung und Lehre verbessern lassen. Doch gerade in Deutschland sind wir sehr sensibilisiert für Themen wie Sicherheit und Datenschutz. Wir verhalten uns abwartender als in anderen Ländern. Letztendlich gilt aber: Wenn man alle (gefühlten) Risiken vermeidet, verliert man auch seine Chancen auf Weiterentwicklung.

Wie verändert die Digitalisierung unser Verständnis von Ausbildung?

Manuel Nitzsche: Durch die Digitalisierung entstehen neue Berufsgruppen, während andere obsolet werden. Dies war auch bei anderen Innovationsschüben so, allerdings erhöht sich die Geschwindigkeit dieser Entwicklung. Aus diesem Grund muss auch die Ausbildung agiler werden – beispielsweise indem neue Themen schneller Einzug in das Curriculum finden. Andererseits erneuert sich Sachwissen sehr schnell, sodass "lebenslanges Lernen" und der Erwerb von Kompetenzen statt Faktenwissen immer größere Bedeutung gewinnen wird. 

Sie betonen den Begriff Cloud native, was hat es damit auf sich?

Manuel Nitzsche: Für Instructure bedeutet es, dass eine Anwendung in der Cloud "geboren" ist – im Gegensatz zu Software, die vielleicht in der Cloud gehostet wird, jedoch ursprünglich nicht dafür konzipiert war. Aus meiner Sicht ist die Cloud aus ökonomischer und technologischer Sicht die richtige Heimat für Applikationen und Rechenleistung. Es lässt sich beobachten, dass Innovationen immer häufiger ausschließlich für die Cloud konzipiert sind. Wir sind stolz darauf, dass wir schon sehr früh auf die Cloud gesetzt haben, Software as a Service ist das vorrangige Distributionsmodell für unsere Technologie.

Wie lassen sich Technologie, Organisation und Informationsfluss optimal aufeinander ausrichten?

Manuel Nitzsche: Eine komplexe Frage. Unsere Erfahrung zeigt: Man sollte zuallererst eine Strategie entwickeln und dann die Prozesse, die notwendigen Organisationsstrukturen und zuletzt die erforderliche Technologie betrachten. Digitalisierung findet auf der Prozessebene statt, an der Schnittstelle zur IT.
Ein Best Practice-Beispiel ist hier die Universität St.Gallen: Bei der Einführung eines neuen LMS wurden zunächst die strategischen Ziele definiert. Durch Einbeziehung aller Betroffenen, nicht nur der IT, konnten dann die Anforderungen festgelegt werden – mit dauernder Rückkopplung zu den strategischen Zielen. Die so entwickelten Prozesse und Strukturen reflektieren dann alle Abhängigkeiten. Damit läuft die Einführung der neuen Technologie reibungslos, und die Akzeptanz bei den Nutzern ist hervorragend.