Agile Projektmethoden

"Schnell und bedarfsorientiert umsteuern"

Oliver HaasBonn, Mai 2020 - Agiles Projektmanagement reagiert auf zwei entscheidende Herausforderungen in der Projektarbeit: Schnelligkeit und Fokus auf Kundennutzen. Was in der Software-Entwicklung seit vielen Jahren erfolgreiche Praxis ist, etabliert sich zunehmend auch in anderen Organisationskontexten als eine alternative oder zusätzliche Form strukturierter Wertschöpfung, erklärt Organisationsberater Oliver Haas.

Oliver Haas ist Leiter des Veränderungsprojekts "Daten und Technologie" in der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH. Der Schwerpunkt seiner Arbeit liegt in der Gestaltung von strategischen, organisatorischen Veränderungsprozessen und der Beratung der damit verbundenen Organisationsentwicklung in Profit- und Non-Profit-Organisationen. Seine Erfahrungen reichen von kommunalen, öffentlichen Organisationen bis hin zu globalen politischen Institutionen mit weltweitem Wirkungskreis.

Bei welchen Fragestellungen oder Kontexten empfehlen sich aus Ihrer Sicht agile Methoden im Projektmanagement?

Oliver Haas: Agile Projektmethoden sind insbesondere dann sinnvoll, wenn die Anforderungen an das Produkt bzw. das Projektergebnis zu Beginn des Projekts noch nicht klar definiert sind. Folglich bringt es wenig, sich in langen und ermüdenden Planungszyklen zu verkämpfen, nur um dann zu merken, dass diese Pläne keine Relevanz mehr haben, weil sich Märkte und Kundenanforderungen bereits wieder verändert haben.
Darüber hinaus steht bei agilen Projektmethoden wie Scrum oder Kanban der Kundennutzen im Fokus: Diesen zum Anlass und Antreiber von Wertschöpfung zu machen, steht mitunter in einem diametralen Unterschied zu klassischen Wasserfall-Methoden, deren Ziel in erster Linie eine effiziente Abarbeitung von Arbeitsprozessen ist. Wichtig ist: Weder traditionelle, noch agile Projektmethoden sind weder richtig noch falsch, sondern es gilt immer den Kontext im Blick zu haben, wo eine Methode am wirksamsten eingesetzt werden kann.

Inwieweit sind agile Methoden zur Weiterbildung bzw. Entwicklung von Mitarbeitenden besonders geeignet?

Oliver Haas: Agile Methoden erlauben es schnell und vor allem bedarfsorientiert umzusteuern. Statt der rigorosen Abarbeitung eines Curriculums bzw. eines Lehrplans, erlauben agile Methoden zeitnah auf die Bedürfnisse des Lernenden einzugehen und sorgen daher für eine stärkere Handlungsorientierung in der Vermittlung von Lerninhalten. Für die am Lernprozess Beteiligten ergibt sich durch diese Flexibilisierung eine stärkere Eigenverantwortung, Unterrichtseinheiten so zu gestalten, dass sie wirklich wirksam werden. Lehrende und Lernende übernehmen damit gemeinsam Verantwortung für die Inhalte der Weiterbildung.

Was ist ihr persönlicher "Favorit" im agilen Werkzeugkasten?

Oliver Haas: Ich persönlich schätze Kanban-Boards und damit verbundene Arbeitsprozesse sehr, da sie
a) die gesamte Wertschöpfungskette transparent machen,
b) Verantwortlichkeiten dort belassen, wo die entsprechenden Kompetenzen der involvierten Personen sind und
c) konsequent auf Ergebnisse ausgerichtet sind.
Auch lassen sich Kanban-Boards wunderbar mit vertikalen Organisationsstrukturen kombinieren und haben damit eine größere Chance auf Umsetzung als andere Methoden, deren Ansprüche an die Veränderung der Gesamtorganisation (inkl. Führung und Kultur) bedeutend größer voraussetzungsvoller sind.

Mit welchen Argumenten kann man KollegInnen und Mitarbeitende für agiles Arbeiten gewinnen?

Oliver Haas: Auch wenn es trivial klingen mag: Weil es Freude macht. Wir alle kennen unzählige Abstimmungsschleifen in Besprechungen, bei denen es im Kern weniger um die optimale Lösung für ein Problem, sondern vielmehr die Befriedigung von unternehmenspolitischen Befindlichkeiten geht. Agiles Arbeiten stellt die Wertschöpfung und den Kundennutzen in den Fokus. Beides zu entdecken, ist bereits eine wichtige Erkenntnis.
Daraus dann eine Arbeitsstruktur abzuleiten, deren primäres Ziel ist, Lösungen zur Bedienung dieses Kundennutzens zu finden, motiviert und sorgt zudem für ein anderes Begegnen im Kreise der KollegInnen. Aber Vorsicht: Wer denkt Agilität bedeutet "anything goes", der muss leider enttäuscht werden. Auch agiles Arbeiten folgt Regeln. Nur orientieren sich diese am Nutzen für Andere.