Verstetigungspreis

IBI an der TU Berlin qualifiziert Häftlinge per eLearning

Berlin, Februar 2012 - (von Prem Lata Gupta) Drei Jahre lang wurde das Projekt im Rahmen des Förderprogramms "Xenos" durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales sowie vom Europäischen Sozialfonds gefördert. Jetzt erhielt "Blended Learning im Strafvollzug" (BLiS) den Xenos-Verstetigungspreis. Damit wird die Arbeit des Institutes für Bildung in der Informationsgesellschaft (IBI) gewürdigt: Das An-Institut der TU Berlin hat nicht nur das eLearning-Angebot für Häftlinge konzipiert, sondern auch die Lernplattform "elis" seit 2009 pädagogisch und technisch betreut. Projektleiterin Ariane von der Mehden über förderalistische Hürden, länderübergreifende Erfolge und eine sehr spezielle Zielgruppe.




Warum haben Sie den Verstetigungspreis bekommen? Weil Ihr Projekt auch nach der Förderphase weiterlebt oder weil immer mehr Strafgefangene das Angebot nutzen?

Ariane von der Mehden: Beides trifft zu. Es ist schon ein Erfolg, dass es uns gelungen ist, von mehreren Bundesländern gemeinschaftlich beauftragt zu werden. Denn durch das förderalistische Prinzip sind Bildungsangebote in Strafvollzugsanstalten vom Gesetz her Ländersache. Nachdem der Nordverbund bereits vor einigen Jahren mit der Lernplattform "elis" gestartet ist, zogen andere Bundesländer nach. Zuletzt haben sich der Südwestverbund (Rheinland-Pfalz, Hessen, Saarland) und sogar Österreich angeschlossen.


Inzwischen nutzen 50 Haftanstalten die Lernplattform "eLearning im Strafvollzug", kurz "elis". Vor allem aber haben die Länder nun Haushaltsgelder bereitgestellt, um das Programm mit eigenen Mitteln fortzuführen. Übrigens stehen weitere Bundesländer in den Startlöchern: Sachsen ist ab 2013 dabei und auch Nordrhein-Westfalen wird sich dem Länderverbund anschließen.

Wie wird eLearning von den Strafgefangenen denn angenommen?

Ariane von der Mehden: Sehr gut. Es gibt sogar eine ganze Reihe, die - anstatt in der Strafanstalt zu arbeiten - lieber Bildungsmaßnahmen besuchen. Darauf haben sie übrigens ein Recht. Und es ist sinnvoll, denn es gilt, die Häftlinge zu qualifizieren und fit zu machen für das Leben draußen. Sie sollen Fuß fassen und Arbeit finden. In unserer heutigen Gesellschaft spielt Medienkompetenz als Teil beruflicher Kompetenzen eine entscheidende Rolle. Die Möglichkeit mit Computern im Unterricht zu arbeiten, motiviert die Gefangenen außerdem sehr. Denn die Arbeit mit digitalen Medien macht das Lernen spannender und abwechslungsreicher.

Es existieren derzeit 200 interaktive und multimediale Lernprogramme. Was deckt dieses Angebot denn ab?

Ariane von der Mehden: Die Kontexte in den an die Lernplattform angeschlossenen Haftanstalten sind sehr unterschiedlich und sie variieren. Im Jugendstrafvollzug liegen die Bedürfnisse und Interessen anders als im Erwachsenenvollzug. Es gibt Analphabeten, die per eLearning schreiben und lesen lernen, manche Häftlinge holen ihren Schulabschluss nach, andere absolvieren eine Ausbildung oder betreiben berufliche Weiterbildung.


Es geht aber auch um die Vermittlung von Alltags-, Sozial- und Medienkompetenzen. Zum Beispiel lässt sich der Europäische Computerführerschein (ECDL) erlangen. Es ist immer gut, wenn ein Zertifikat am Ende einer Lernmaßnahme steht. Dieses wirkt sich positiv bei der Arbeitssuche aus.

Wie muss man sich eLearning im Gefängnis vorstellen? Der Häftling sitzt mit seinem Laptop abends in der Zelle und loggt sich ins Lernmanagementsystem ein?

Ariane von der Mehden: Nein. Internet, Handy und Laptop sind im Strafvollzug streng verboten. Ohne Aufsicht - also in der Zelle - ist das erst recht nicht möglich. Deshalb war es zunächst auch eine große Herausforderung, Computerräume einrichten zu wollen, die einen Zugang zum Internet ermöglichen. Da gab es teilweise große Widerstände, auch vom Vollzugspersonal. Mitterlweile haben alle Beteiligten gute Erfahrungen mit dem System "elis" gemacht. Die Strafgefangenen sind nie allein in diesen Räumen und immer unter Aufsicht. Vor allem aber haben sie trotz eLearning keinen freien Zugang zum Internet.

Aber sie lernen doch nicht mit CBTs, oder?

Ariane von der Mehden: Über die Lernplattform werden dem Nutzer neben verschiedensten didaktischen Features auch CBTs und WBTs in einer Mediathek zur Verfügung gestellt. Das heißt, die Nutzer greifen über eine getunnelte Internetverbindung auf den Server zu, der hier an der TU Berlin steht. Somit führt der Weg zwar durch das Internet, es besteht aber keine Möglichkeit, auf Webseiten zuzugreifen.


Erst im so genannten "Übergangsmanagement" - wenn die Entlassung vorbereitet wird - sowie bei Strafgefangenen, die als vertrauenswürdig eingestuft werden, wird es erlaubt, einzelne ausgewählte Webseiten freischalten zu lassen. Zuvor prüft das IBI diese Webseiten in Absprache mit den Lehrern und Betreuern hinsichtlich strenger Kriterien. Hier steht Sicherheit immer an erster Stelle.

Warum wird dies so streng gehandhabt?

Ariane von der Mehden: Man will vermeiden, dass sich kriminelle Handlungen wiederholen. Auch dass Häftlinge unerlaubt in Kontakt treten oder ganz bestimmte Inhalte auf den Rechnern speichern und auf diese Weise weitergeben können. Eine Kommunikation nach außen ins freie Internet sowie innerhalb der Mauern zwischen Strafgefangenen muss jederzeit unterbunden werden. Deshalb sind in vielen Haftanstalten auch Laufwerke und USB-Anschlüsse verklebt.