Repräsentative Umfrage

"Coronakrise ist ein Weckruf, die Digitalisierung massiv voranzutreiben"

Berlin, April 2020 - Die Unternehmen in Deutschland sind in den vergangenen zwölf Monaten bei der Digitalisierung zwar vorangekommen, bewerten den eigenen Fortschritt aber eher zurückhaltend. So vergeben Geschäftsführer und Vorstände, gefragt nach dem Stand der Digitalisierung des eigenen Unternehmens, im Durchschnitt nur die Schulnote "befriedigend". Mittelständler mit 100 bis 499 Mitarbeitern geben sich sogar lediglich ein "ausreichend". Zugleich sehen nur noch 22 Prozent die deutsche Wirtschaft im internationalen Vergleich bei der Digitalisierung in der Spitzengruppe, vor einem Jahr waren es noch 26 Prozent. Für in puncto Digitalisierung weltweit führend hält Deutschland weiterhin niemand.

Zugleich wächst der Anteil derjenigen, die Deutschland im Mittelfeld (von 47 auf 51 Prozent) oder unter den Nachzüglern (von 18 auf 21 Prozent) verorten. Unverändert halten 4 Prozent die deutsche Wirtschaft für digital abgeschlagen. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage unter 603 Unternehmen aller Branchen im Auftrag des Digitalverbands Bitkom, die heute vorgestellt wurde.
"Die Coronakrise hat uns die Bedeutung digitaler Technologien für Wirtschaft, Verwaltung und Gesellschaft sehr klar vor Augen geführt. Die Krise ist ein Weckruf, die Digitalisierung nun massiv voranzutreiben", sagte Bitkom-Präsident Achim Berg. "Wir haben uns in der Vergangenheit zu viel Zeit bei der Digitalisierung gelassen. Das Motto des 'Weiter so' gilt nicht mehr. Jetzt heißt es, digitale Infrastruktur aufzubauen, Geschäftsprozesse umfassend zu digitalisieren und neue, digitale Geschäftsmodelle zu entwickeln."

Nur noch jedes zehnte Unternehmen hat Existenzangst aufgrund der Digitalisierung
Die Digitalisierung wird dabei in der Breite der deutschen Wirtschaft positiv gesehen. 9 von 10 Unternehmen (90 Prozent) sehen sie eher als Chance, nur 5 Prozent als Risiko. Jedes Dritte (34 Prozent) gibt zugleich an, Probleme zu haben, die Digitalisierung zu bewältigen. Aber nur noch jedes zehnte Unternehmen (10 Prozent) sieht seine Existenz durch die Digitalisierung gefährdet.
Vor einem Jahr lag der Anteil noch bei 12 Prozent, vor zwei Jahren sogar bei 24 Prozent. Die Unternehmen versuchen als Folge der Digitalisierung ihr Angebot anzupassen. So bringen 6 von 10 der Unternehmen (60 Prozent) als Folge der Digitalisierung neue Produkte oder Dienstleistungen auf den Markt. Vor einem Jahr lag der Anteil erst bei 53 Prozent, vor zwei Jahren sogar nur bei 48 Prozent.
Drei Viertel (75 Prozent) passen inzwischen bereits bestehende Produkte oder Dienstleistungen an, jedes Zweite (49 Prozent) nimmt Produkte oder Dienstleistungen vom Markt.

Wer frühzeitig auf Digitalisierung gesetzt hat, ist jetzt im Vorteil
Die Unternehmen reagieren damit auch auf einen starken Wettbewerbsdruck. So sagen jeweils 6 von 10 Unternehmen, dass Wettbewerber aus der Internet- und IT-Branche (64 Prozent) bzw. aus anderen fremden Branchen (61 Prozent) auf ihren Markt drängen. Zugleich gibt rund jedes zweite Unternehmen (48 Prozent) an, dass Wettbewerber aus der eigenen Branche, die frühzeitig auf Digitalisierung gesetzt haben, ihnen nun voraus seien.
Vor einem Jahr sahen das erst 42 Prozent so, vor zwei Jahren sogar nur 37 Prozent. "Digitalisierung entwickelt sich exponentiell. Je länger man bei der Digitalisierung zögert, umso schwieriger wird es, den Vorsprung der anderen aufzuholen. Deshalb gilt jetzt: Nicht im Analogen verharren, sondern so schnell wie möglich die Digitalisierung selbst vorantreiben", so Berg.

Drei Viertel der Unternehmen haben inzwischen eine Digitalstrategie
Der Anteil der Unternehmen, die die Digitalisierung strategisch angehen, steigt dabei weiter. So haben inzwischen mehr als drei Viertel (77 Prozent) eine Digitalstrategie entwickelt: 39 Prozent verfügen über Strategien in einzelnen Unternehmensbereichen, 38 Prozent sogar über eine zentrale Digitalstrategie. Allerdings verzichtet immer noch rund jedes fünfte Unternehmen (22 Prozent) auf eine Digitalstrategie.
Auffallend: Während alle Unternehmen mit 2.000 oder mehr Beschäftigten über eine Strategie verfügen und nur 7 Prozent der großen Unternehmen mit 500 bis 1.999 Mitarbeitern keine Strategie aufgestellt haben, liegt der Anteil bei kleinen und mittelständischen Unternehmen deutlich darüber. Bei jenen mit 100 bis 499 Mitarbeiter sind es 18 Prozent, bei denen mit 20 bis 99 Mitarbeitern sogar 23 Prozent.
"Wer nicht einmal für Teile seines Unternehmens eine Digitalstrategie aufgestellt hat, muss sich schon fragen lassen, ob er seine Existenz mutwillig aufs Spiel setzen will", so Berg. "Beunruhigend ist, dass zu viele kleine und mittlere Unternehmen, die das Rückgrat unserer Wirtschaft gerade in Krisenzeiten bilden, bei der Digitalisierung auf Sicht fahren. Jedes Unternehmen muss jetzt eine Digitalstrategie entwickeln – und diese dann auch konsequent umsetzen."

Nur jedes vierte Unternehmen investiert 2020 gezielt in digitale Geschäftsmodelle
Nur jedes vierte Unternehmen (24 Prozent) hat zu Jahresanfang geplant, gezielt in die Entwicklung digitaler Geschäftsmodelle zu entwickeln. Ähnlich viele (23 Prozent) haben dies zumindest im vergangenen Jahr getan, wollen aber 2020 nicht nachlegen. Jedes dritte Unternehmen (33 Prozent) hat zuletzt 2018 oder früher solche Investitionen getätigt – und 14 Prozent haben dafür noch nie Geld in die Hand genommen.
"Digitalisierung ist nicht zum Nulltarif zu bekommen und die Entwicklung digitaler Geschäftsmodelle kostet zunächst einmal Geld. Für viele Unternehmen dürfte es sich dabei aber um die bedeutendste Zukunftsinvestition handeln", sagte Berg.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Digitale Technologien werden immer wichtiger für den Unternehmenserfolg
Die Investitionszurückhaltung ist auch deshalb überraschend, weil die Unternehmen digitalen Technologien eine immer größere Bedeutung zuschreiben. So geben 90 Prozent an, dass Big Data und Datenanalyse von sehr großer oder eher großer Bedeutung für die künftige Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen seien, vor einem Jahr waren es erst 83 Prozent.
Dahinter rangieren das Internet of Things mit 81 Prozent (2019: 79 Prozent) und 3D-Druck mit 72 Prozent (2019: 68 Prozent). Deutliche Anstiege gibt es auch bei autonomen Fahrzeugen von 57 auf 68 Prozent und bei Künstlicher Intelligenz von 60 auf 67 Prozent.

Dieser allgemeinen Einschätzung hinkt der Einsatz der Technologien in den Unternehmen immer noch hinterher, obwohl ihre Verbreitung weiter zunimmt. So geben 62 Prozent an, Big Data oder Datenanalyse einzusetzen oder den Einsatz zu planen oder zu diskutieren (2019: 59 Prozent).
Auf 3D-Druck setzen 51 Prozent (2019: 43 Prozent), auf das Internet of Things 49 Prozent (2019: 44 Prozent) und Virtual und Augmented Reality 35 Prozent (2019: 32 Prozent).
Den größten Sprung macht Künstliche Intelligenz von 12 auf nun 28 Prozent. Unverändert stagniert die Blockchain-Technologie bei 6 Prozent.

Datenschutz, IT-Sicherheit und Fachkräftemangel bremsen Technologie-Einsatz
Die drei größten Hürden beim Einsatz neuer Technologien sind nach Ansicht der Unternehmen Anforderungen an den Datenschutz (79 Prozent, 2019: 74 Prozent), die Anforderungen an die technische Sicherheit (63 Prozent, 2019: 57 Prozent) sowie fehlende Fachkräfte (55 Prozent, 2019: 48 Prozent). Mit deutlichem Abstand folgen Zeitmangel im Alltagsgeschäft (33 Prozent), fehlende finanzielle Mittel (25 Prozent) und das Fehlen marktfähiger Lösungen (18 Prozent).
"Wir müssen jetzt schon an die Zeit nach der Coronakrise denken und überall die Weichen in Richtung Digitalisierung stellen", mahnte Berg an. "Wir können aktuell sehr schön sehen, dass stärker digitalisierte Unternehmen und die Digitalwirtschaft sehr viel mehr sind als ein Wachstumsmotor. In Krisenzeiten sind sie weniger anfällig, sie stabilisieren die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt."
Die Unternehmen seien gefordert, trotz aller Herausforderungen durch die konkreten Auswirkungen des Lockdowns die eigene Digitalisierung voranzutreiben. "Aber auch die Politik braucht für die Zeit nach Corona eine Strategie, um die Wirtschaft wieder hochzufahren. Ihre Basis ist das Digitale", sagte Berg.