Rumänien

Frauenpower im eLearning Management

Sibiu, Rumänien, März 2007 - (von Joscha Remus) In Sibiu (Hermannstadt), Rumänien arbeitet Cristina Werther als Managerin des IT-Dienstleisters Eytro und der eLearning-Schmiede Eytro Media Dimensions. Ihr aktuelles Credo lautet: Es ist an der Zeit mehr weibliches Denken im eLearning-Sektor zu zeigen und mehr kreativen Mut und die Entwicklung von modernen, mehrdimensionalen eLearning-Lösungen zu unterstützen. Auch fordert sie ihre Kolleginnen dazu auf, neue Wege jenseits einer rein rational orientierten, dabei doch verspielten und oft betriebsblinden Männerwelt zu suchen. Joscha Remus sprach für CHECK.point eLearning mit ihr.



Zuerst einmal herzlichen Glückwunsch. Rumänien ist ja nun endgültig in Europa angekommen.

Cristina Werther: Ja, wir freuen uns außerordentlich darüber, nun zum Europäischen Haus zu gehören. Doch für uns als Firma ist dies nur ein weiterer politisch-wirtschaftlicher Meilenstein. Vom Business her arbeiten wir schon lange in Deutschland und in Europa.

Gerade in ihrer Heimat, in Hermannstadt, boomt die IT- und insbesondere die eLearning-Branche. Wie kam es zu diesem rasanten Ansturm?

Cristina Werther: Was die meisten unserer Kunden in Deutschland, Österreich und der Schweiz nicht wissen ist, dass wir hier in Siebenbürgen über eine lange deutschsprachige Vergangenheit verfügen. Über drei Jahrhunderte gehörte dieses Gebiet zur k.u.k. Monarchie Österreich-Ungarns. Noch heute sprechen viele der IT-Absolventen der hiesigen Universität neben Rumänisch auch Deutsch, Ungarisch und Englisch sowieso. Auch dem Engagement unseres deutschen Bürgermeisters Klaus Johannis und dem DWS (Deutscher Wirtschaftsclub Siebenbürgen) haben wir es zu verdanken, dass jetzt die -žalten Kontakte-œ wieder aufleben und sich hier in Sibiu allein über 300 ausländische Firmen niedergelassen haben.

Was reizt Sie so sehr am eLearning?

Cristina Werther: Mich persönlich hat immer fasziniert wie man Kinder in abgelegenen Regionen der Welt schulen oder komplexere technische Sachverhalte einfach, knapp und effizient vermitteln kann.

Rumänische eLearning-Experten findet man vor allem im Ausland. Werden bei ihnen in Rumänien die Spezialisten durch das stetige abwandern nicht rar?

Cristina Werther: Nein, an eLearning-Spezialisten herrscht hier wahrlich kein Mangel. Wir haben lange Zeit darunter gelitten, in Siebenbürgen über hochqualifizierte IT-Absolventen zu verfügen, die dann aber aus finanziellen Gründen ins Ausland abgewandert sind und sich dort für Lernzwecke konzipierten Anwendungen gewidmet haben, die auch für uns nützlich gewesen wären. Mittlerweile kehren viele aus den USA und Deutschland wieder heim, da sie sehen, dass hier durch Eigeninitiative viel zu erreichen ist und auch gutes Geld verdient werden kann. eLearning war in Rumänien von Anfang an ein großes Thema, da wir uns fragten, wie schulen wir unsere Mitarbeiter in Bukarest, Timisoara oder auf dem Land möglichst effizient, kompetent und kostengünstig?

Sie haben ja mit der Firma Eytro Media Dimensions nun eine eigene Tochter ins Leben gerufen, die sich u.a. dem dreidimensionalen eLearning verpflichtet hat. Was kann man sich darunter 3-D-Learning vorstellen und was reizt Sie so daran?

Cristina Werther: Mit Eytro Media Dimensions gehen wir auf das wachsende Bedürfnis der Menschen ein, Schulungsmaterial und Produktkurse nicht mehr allein in einer flachen 2-D-Welt vermittelt zu bekommen. Wir alle haben vorwiegend noch so gelernt, in der Schule und auch während meines Studiums war ich an die flache 2-D-Blätterwelt gebunden. Das räumliche Vorstellungsvermögen wird dabei, insbesondere für spätere Produktentwickler, nicht gerade geschult.

Wie sieht eLearning in 3-D denn konkret aus?

Cristina Werther: 3-D- Aus- und Weiterbildung muss weit über die bisherige Form der reinen Produktion von eLearning-Kursen und Wissenstests hinausgehen. Überall dort, wo es möglich ist, werden die Lernenden durch visuelle und auditive Applikationen unterstützt. Neben realistischen Lernvideos sind das für Anwender von technischem Gerät vor allem 3-D-Einspieler. Diese erlauben es ihnen, die Objekte im Raum betrachten und auch begreifen zu lernen. Zoomfunktionen führen näher heran, geführte Anwendungen können als Trickablauf betrachtet werden. Das alles natürlich dank neuester Entwicklungen in der eLearning-Branche wie den Audio-Podcasts auch als Lösung für mobile Endgeräte.

Erzählen sie bitte etwas über die besondere Situation hier in Rumänien. Was macht Rumänien anders? Wovon können E-Learning-Entwickler hier profitieren?

Cristina Werther: Jeder denkt eLearning steckt hier in Südosteuropa noch in den Kinderschuhen. Dabei hat die IT-Branche hier eine 30jährige Tradition. Die ausländischen Firmen, die sich hier niederlassen haben, erkannten dieses Potential sehr schnell und haben ebenso schnell davon profitiert. So hat beispielsweise die Firma Continental anfangs den gesamten Jahrgang der Informatik-Absolventen aus Hermannstadt übernommen. Sicherlich zählen die günstigen Produktionskosten zu den Hauptgründen für ausländische eLearning-Firmen, hier Off-shore Filialen zu gründen, doch in erster Linie liegt es wohl an der sehr guten Qualifikation der hiesigen Mitarbeiter.

Qualifikation in welchen Bereichen?

Cristina Werther: Die rumänischen IT Kräfte haben sicher gute und langjährige Erfahrungen im Programmieren und Entwickeln. Doch darüber hinaus vermitteln die hiesigen Universitäten bereits Kenntnisse aus dem Bereich Projektmanagement sowie Design und kooperieren frühzeitig mit internationalen Firmen. Kulturell und mental stehen die Rumänen Europa viel näher als man denkt, was die Kommunikation und den kreativen Cross-Over wesentlich vereinfacht. Für viele Rumänien ist es übrigens selbstverständlich eine zweite oder dritte Fremdsprache zu sprechen, wie ich bereits sagte.

Die niedrigen Unternehmersteuern wären sicher ein schlagkräftiges Argument, seine Fühler Richtung Rumänien auszustrecken?

Cristina Werther: Sicher. Es gibt einen sehr niedrigen Steuersatz für Unternehmen mit einem geringen Umsatz und Unternehmen mit einem höheren Umsatz kommen ebenfalls in den Genus einer so genannten Flat-Tax. Doch erst der Aufbau neuer Infrastrukturen wird die Wettbewerbsfähigkeit entscheidend steigern. Bis vor kurzem konnte man die IT-Unternehmen auch durch günstige Grundstückspreise und geringe Umsatzsteuer locken.

...und jetzt?

Cristina Werther: Die Preise sind explodiert. Warum sollen die Firmen hierher ziehen, wenn sie uns als Kooperationspartner gewinnen können? Die Produktion von mobilen eLearning Lösungen, die modern denkende User zukünftig auch als Videocasts, 3-D-Trickcasts oder reinen Audio-Podcasts nutzen können, ist hier in Hermannstadt wesentlich billiger zu haben als in Deutschland oder Österreich. Wir kennen keine restriktiven Arbeitszeit-Regelungen, haben hoch motivierte und exzellent ausgebildete Entwickler und Programmierer. Um ein Beispiel zu nennen: Unser zur Jahrtausendwende gegründeter Betrieb für ERP- und eLearning Lösungen verfügte im Jahre 2000 grade einmal über einen Mitarbeiter. Heute sind es bereits 20.

In Deutschland wachsen im eLearning-Markt aber die Bedenken angesichts solcher Begriffe wie Off-Shoring oder gar Out-Sourcing.

Cristina Werther: Unsere deutschen, schweizerischen und österreichischen Partner hier vor Ort sehen das ganz anders. Wir alle profitieren von besseren eLearning Produkten. Ob wir nun in Deutschland, in der Schweiz oder hier in Siebenbürgen sitzen. Wir sind an internationaler Top-Qualität interessiert, das ist unser Maßstab. Auch die Ästhetik und Usability im eLearning-Sektor spielt hier in Rumänien zunehmend eine größere Rolle. Kein Wunder also, dass jetzt auch die Frauen in diesen Bereichen verstärkt ins Management rutschen. Weg von einer rein rational, verspielten und oft betriebsblinden Männerwelt.
So wollen wir beispielsweise, dass der Distanz-Lernende zukünftig Produkte und Abläufe auch wirklich begreift und diese zudem noch ästhetisch anspruchsvoll serviert bekommt.